US-Regierung enthüllt iranische Anschlagspläne gegen saudi-arabische und israelische Ziele in Washington. Teheran zeigt sich “empört“.

Washington. Nach der Aufdeckung eines Mordkomplotts gegen den saudi-arabischen Botschafter in den USA, mutmaßlich befohlen von "Elementen der iranischen Regierung", eskalieren die Spannungen zwischen Washington und Teheran. Während US-Außenministerin Hillary Clinton ankündigte, im Verbund mit den europäischen Verbündeten dem Iran eine "sehr starke Botschaft" des Zorns zukommen zu lassen und das Regime weiter isolieren zu wollen, stritten Sprecher der iranischen Regierung den Komplottvorwurf als "empörende, kriegstreiberische Propaganda" ab.

US-Vizepräsident Joe Biden sagte, es sei von nun an "entscheidend, die Welt in der Isolierung des Iran zu einigen". Auch (militärische) Schritte, die über Wirtschaftssanktionen hinausgingen, wollte Biden nicht ausschließen: "Noch sind wir nicht bereit, so weit zu gehen." In kurioser Einmütigkeit als "filmreif" bewerten beide Seiten die Affäre, in der angeblich Al-Kuds-Brigaden des Iran und Auftragskiller des mexikanischen Drogenkartells gemeinsame Sache machten, um den Botschafter Saudi-Arabiens in den USA, Adel al-Jubeir, in einem Washingtoner Restaurant in die Luft zu sprengen. "Ein Verdächtiger, Mansour Arbabsiar (56), Iraner mit US-Pass, ist seit dem 29. September in Haft und angeblich geständig; ein anderer, Gholam Schakuri, soll sich im Iran aufhalten. "Die US-Regierung und die CIA haben reichlich Erfahrung, Drehbücher zu erfinden", um von internen Krisen abzulenken, meinte ein Sprecher des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Wie "die Seiten eines Hollywood-Skripts" lese sich die mehr als 20 Seiten starke Anklage gegen die beiden Iraner, fand FBI-Chef Robert Muller. "Allerdings wäre der Effekt sehr real gewesen und hätte viele Menschenleben gekostet."

Hillary Clinton nannte das Komplott so bizarr, dass er die Fantasie selbst Hollywoods sprenge: "So etwas kann man nicht erfinden, oder?" In einer ersten Vergeltungsreaktion froren die USA die Bankkonten von fünf Iranern ein, darunter jene der beiden Verdächtigen. Weitere Sanktionen sollen folgen. Außerdem, wenn es nach dem Willen der USA ginge, eine Verurteilung des Iran vor dem Uno-Sicherheitsrat.

Nach Darstellung von US-Justizminister Eric Holder begann die Planung des Mordanschlags, "befohlen und gutgeheißen von Elementen der iranischen Regierung und, im Besonderen, ranghohen Mitgliedern der Al-Kuds-Verbände" im Frühjahr. Ein Cousin Arbabsiars und Mitglied der Al-Kuds-Brigade beauftragte Arbabsiar, Gebrauchtwagenhändler im texanischen Corpus Christi, ein Mordkommando in Mexiko zu rekrutieren. Arbabsiar traf sich mit einem Informanten der US-Antidrogenbehörde DEA, der sich als Vertreter des Drogenkartells Los Zetas ausgab. In den folgenden zwei Monaten wurde ein Geschäft ausgehandelt, das die Zahlung von 1,5 Millionen Dollar für fünf Männer vorsah. Eine Anzahlung von 100 000 Dollar soll Mansour Arbabsiar bei einem Besuch im Iran über sein Konto veranlasst haben. Ende September reiste er nach Mexiko, um als freiwillige Geisel für die Zahlung der Restsumme zu garantieren. Die mexikanischen Behörden verweigerten ihm (auf Wunsch der USA) die Einreise; auf dem Rückflug über New York wurde Arbabsiar festgenommen. Laut Darstellung der US-Justizbehörden verzichtete er auf die Anwesenheit eines Anwalts und die rasche Vorführung vor einen Haftrichter. Arbabsiar habe ein Geständnis abgelegt und "extrem wertvolle Informationen" über die Drahtzieher des Komplotts im Iran geliefert.

+++US-Regierung warnt vor weltweitem Terror+++

Soweit der tatsächlich filmreif bizarre Plot, für den die USA die iranische Regierung "zur Rechenschaft ziehen werden" (Eric Holder). Nur auf Nachfrage räumte der US-Justizminister ein, er bezichtige die Regierung in Teheran "zu diesem Zeitpunkt" nicht direkt. Hohe Beamte des Justizministeriums gaben zu, dass sie einen direkten Auftrag oder auch nur ein Mitwissen der iranischen Regierung nicht beweisen können. Für die Verwicklung der Al-Kuds-Truppe, einer Eliteeinheit der Revolutionswächter, die seit Jahren notorisch ist für verdeckte Kriegsführung sowie die Ausbildung von Hamas- und Hisbollah-Kämpfern, gebe es hingegen überzeugende Beweise.

Während des Irak-Kriegs spielten die Al-Kuds-Brigaden die Rolle einer Schattenarmee, die irakische Schiitenrebellen unterstützte und Jagd auf US-Soldaten machte. Der Kommandeur der Einheit soll zwischen 5000 und 14 000 Mann zur Verfügung haben und direkt Ajatollah Ali Chamenei unterstehen.

Der "Arabische Frühling" hat die feindselige Rivalität zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und schiitischen Iran weiter verschärft. Beide Regimes beanspruchen die Führungsrolle, beide verloren durch die Bürgeraufstände an Einfluss. Dennoch scheinen nicht wenige Iran-Spezialisten in den USA konsterniert von dem mutmaßlichen Mordkomplott. Warum sollte ausgerechnet der saudi-arabische Botschafter in den USA getötet werden, kein berühmter und mächtiger Feind? Andererseits habe, so halten andere dagegen, der Auftrag an mexikanische Killer durchaus Sinn. Dort seien die Chancen größer, unentdeckt zu bleiben, zumal im Schutz des Drogenkartells. Adel al-Jubeir ist seit 2007 Botschafter in den USA. Sein Zugang zum Weißen Haus und dem Kongress ist vorzüglich. Auch dürfte er der bekannteste saudi-arabische Beamte sein, seit er nach den Anschlägen vom 11. September 2001 über Monate versuchte, den Imageschaden zu mildern, den 15 saudi-arabische Terroristen (von insgesamt 19) an jenem Tag anrichteten. Damals war er noch Berater von König Abdullah. Er machte seine Sache so gut, dass er mit dem Botschafterposten belohnt wurde.

Doch könnte seine Ermordung die wütende Vergeltung wert sein, die nun, offen oder verdeckt, Teheran von den USA wie von Saudi-Arabien droht? Nach Informationen der "New York Times" und der "Washington Post" planten die Verschwörer Anschläge auf die Botschaft Israels in Washington sowie die Botschaften Saudi-Arabiens und Israels in Argentinien. Der Bombenanschlag auf den Botschafter sollte in einem (nie namentlich genannten) vornehmen Restaurant, in dem auch US-Senatoren verkehren, verübt werden. Viele Tote wären "kein Problem", soll Mansour Arbabsair geprahlt haben, "die (Iraner) wollen unbedingt, dass der Typ draufgeht".