Mit ihren Plänen fürs Betreuungsgeld erntet Kristina Schröder vor allem Kritik. Der Gegenwind kommt auch aus den eigenen Reihen.

Berlin. Es allen recht zu machen ist schlichtweg unmöglich. Das weiß auch Kristina Schröder. Als die CDU-Politikerin vor gut zwei Jahren überraschend einen Anruf von Angela Merkel bekam und die Bundeskanzlerin ihr das Familienministerium als neuen Arbeitsplatz anbot, hieß es erst, sie sei zu jung und außerdem kinderlos, um ernsthaft Familienpolitik betreiben zu können. Jetzt, da sie mit ihren 34 Jahren immer noch jung, aber Mutter einer kleinen Tochter namens Lotte Marie ist, fragt man sich auch in der CDU hinter vorgehaltener Hand, ob das denn alles so klappt mit der Doppelbelastung, und ob Kind und Karriere auch bei einer Ministerin reibungslos zusammengehen können. So oder so: Irgendeiner hat immer etwas zu mäkeln - allerdings ist das nichts, womit die Ministerin nicht umgehen könnte.

In einem ganz ähnlichen, jedoch komplizierteren Dilemma steckt Schröder jetzt mit einem politischen Thema, dem Betreuungsgeld. Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag wurde im Herbst 2009 noch unter der Ägide von Schröders Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) und auf Drängen der CSU festgehalten, dass man bis 2013 jenen Familien für zwei Jahre 150 Euro monatlich zahlt, die ihre Kinder selbst betreuen, statt sie in eine Krippe zu geben. Die auch spöttisch als "Herdprämie" bezeichnete Zahlung stößt jedoch nach wie vor auf harsche Kritik der FDP. Mit dem Verweis darauf, dass niemand wisse, ob die Eltern das Geld auch für ihre Kinder ausgäben und dass frühkindliche Bildung vor allem in Krippen geschehe, lehnen die Liberalen die Einführung ab. Mit geschätzten Kosten von zwei bis drei Milliarden Euro sei das Betreuungsgeld in Zeiten knapper Kassen auch zu teuer, heißt es.

Vier Wochen nach dem Ende ihres Mutterschutzes hat Schröder ein erstes Kompromisskonzept vorgelegt - und sitzt wieder einmal zwischen allen Stühlen. Ihre Idee: Das Betreuungsgeld wird nur ein Jahr lang gezahlt und geht auch an jene Mütter, die in Teilzeit oder stark reduziertem Umfang arbeiten. Ein Vermittlungsangebot, das auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) entgegenkommt."Ich finde, wir müssen angesichts der angespannten Haushaltslage eine gewisse Bescheidenheit an den Tag legen", hatte Schröder in der "Bild am Sonntag" gesagt. Doch die Kritik kommt jetzt von allen Seiten: "Nicht akzeptabel" heißt es von der CSU, die FDP sieht weiter kein Geld dafür im Haushalt. Teile der CDU, allen voran die Frauen-Union, wehrt sich prinzipiell gegen eine Barzahlung. Die Opposition aus Grünen und SPD lehnt das Betreuungsgeld ohnehin ab. Schröders Sprecher sagte gestern, die Ministerin suche weiter nach einem Kompromiss. Bei der Ausgestaltung des Betreuungsgeldes gebe es allerdings eine "große Bandbreite". Einzelheiten wollte er nicht nennen, damit diese nicht gleich "kleingeredet" würden.

Also wieder kein großer Wurf für die Familienministerin. Der studierten Soziologin ist es bereits in der ersten Hälfte ihrer Amtszeit nicht leichtgefallen, politische Akzente zu setzen - und auch der Auftakt der zweiten wurde ihr zum Teil von den eigenen Leuten verhagelt. Ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt zudem, dass das Betreuungsgeld nicht der einzige Punkt ist, an dem es hakt. So liegt ebenfalls die Weiterentwicklung des Elterngeldes auf Eis. Geplant war eigentlich, die Vätermonate auszuweiten und ein Teilelterngeld einzuführen - beides ist jedoch aus finanziellen Gründen vorerst nicht drin. Zudem stockt es beim Kita-Ausbau. Ab 1. Juli 2013 haben alle Dreijährigen in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz - es ist jedoch gut möglich, dass es bis dahin nicht in allen Bundesländern genügend Plätze geben wird. Schröder kündigte an, bald mit allen betroffenen Ministerpräsidenten das Gespräch zu suchen. Denn während der Bund bereits vier Milliarden Euro in den Ausbau investiert hat, kommen manche Landesfürsten ihrem Teil der Vereinbarung nicht nach, noch einmal dieselbe Summe aufzubringen.

Und dann wäre da noch das Feld Gleichstellungspolitik. Am kommenden Montag wird sich Schröder zum zweiten Mal mit Vertretern der 30 DAX-Unternehmen treffen, die dann auf die jeweilige Branche abgestimmte verbindliche Quoten für Frauen in ihren Chefetagen festlegen sollen. Erst wenn dieses Ziel bis 2013 nicht erreicht ist, soll eine gesetzliche Regelung greifen. "Flexi-Quote" nennt Schröder das - und steuert damit auf Konfrontationskurs zu Ursula von der Leyen, die eine starre 30-Prozent-Quote per Gesetz für alle befürwortet. Im Gegensatz zu Schröder hat die Arbeitministerin viel Erfahrung darin, wenn es um Profilierung geht. Auch Schröders Abwesenheit nach der Geburt ihrer Tochter nutzte von der Leyen dazu, das Thema an sich zu ziehen, und war mit einem Treffen auf EU-Ebene vorgeprescht. Auch innerhalb der Union empfanden das einige als unfair. Es wird in den kommenden Monaten nicht leicht für Schröder werden, sich gegen ihre Kabinettskollegin durchzusetzen. Eine klare Absage hat sie von der Leyens Quote zwar schon erteilt, mit Ellenbogen zu arbeiten ist ihre Sache jedoch nicht. "Profilierungssucht widert mich an", hat sie einmal in einem Interview gesagt.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es ausgerechnet das größte Projekt ihrer Hauptkonkurrentin ist, dessen Verteidigung sich Schröder jetzt auf die Fahnen geschrieben hat. Denn eine Kürzung des Elterngeldes, wie es ebenfalls in Schröders Mutterschutz-Zeit Unionsfraktions-Chef Volker Kauder (CDU) gefordert hatte, werde es mit ihr nicht geben, hatte die Hessin bereits mehrfach betont. Klar ist aber, dass die Leistung, die als großes Prestigeprojekt von der Leyens gilt, bald umfassend evaluiert werden soll. Spätestens da wird sich Schröder auf heftigen Gegenwind einstellen müssen.