Ein Fake? Das Material kursierte bereits seit Monaten im Internet. Übergangsrat bringt Millionen an Bargeld in Gaddafi-Hochburg.

Tripolis. Der in Syrien ansässige Fernsehsender al-Rai hat ein Amateur-Video eines Sohns des untergetauchten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi ausgestrahlt. Darin hält Seif al-Islam eine Rede vor einer Menschenmenge. In der einen Hand hat er ein Maschinengewehr, eine Faust ist in die Luft gereckt. Dem Fernsehsender zufolge, der inzwischen das wichtigste Sprachrohr Gaddafis ist, wurde das tonlose Video am 20. September in einer der belagerten Städte aufgenommen. Doch dasselbe Video wurde offenbar bereits Anfang März bei YouTube hochgeladen, zudem ist offenbar dieselbe Veranstaltung in einem weiteren, Ende Februar hochgeladenen Video zu sehen.

Seif al-Islam wurde zuletzt am 23. August öffentlich gesehen, drei Tage nach dem Einmarsch der Revolutionstruppen in Tripolis. Gerüchten zufolge soll er sich weiter in der Gaddafi-Hochburg Bani Walid versteckt halten.

Der libysche Übergangsrat hat unterdessen umgerechnet knapp zwölf Millionen Euro nach Sabha gebracht. Journalisten begleiteten den Öl- und Finanzminister Ali al-Tarhuni in die entlegene Wüstenstadt, die weiterhin in Teilen von Gaddafi-Getreuen besetzt wird. Das Flugzeug der Gruppe um al-Tarhuni war das erste, das seit Einrichtung einer Flugverbotszone durch die Nato im März dort landete. Die 20 je 78 Kilogramm schweren Geldkassetten mit 20-Dinar-Scheinen wurden der Zentralbank übergeben.

Beim möglicherweise entscheidenden Vorstoß auf Sirte treffen die Truppen der libyschen Übergangsregierung NTC auf erbitterten Widerstand der Gaddafi-Anhänger. Als stünden sie in ihrem letzten Gefecht, deckten sie die NTC-Kämpfer mit Artillerie und Raketen ein. Auch Scharfschützen nahmen die Angreifer ins Visier. Die waren zwar in den Ostteil von Gaddafis Heimatort eingedrungen, doch an einem Kreisverkehr kam ihr Vormarsch im schweren Feuer des Gegners zum Erliegen.

„Wir brauchen Hilfe, wir brauchen Hilfe“, schrie ein NTC-Helfer in panischer Angst. Weiter vorne lägen schwer verletzte Kameraden, die geborgen werden müssten. Doch angesichts des heftigen Beschusses traute sich niemand zu den Verwundeten. Zwar waren die Regierungstruppen mit zwei Panzern vorgerückt, doch auch die gerieten schnell unter Artilleriebeschuss. Und wegen der Scharfschützen mussten die Angreifer hinter Schiffscontainern in Deckung gehen. „Wo kommen die her“, rätselte ein Kämpfer angesichts des gegnerischen Feuers.

Dabei ist die Gaddafi-Hochburg umzingelt: Im Süden, Osten und Westen der Stadt stehen die Regierungstruppen. Und im Norden ist das Mittelmeer, wo Schiffe der Nato auf Lauer liegen. In einem anderem Teil Sirtes schweigen derweil die Waffen. Dort sind Anhänger Gaddafis nach Angaben eines Kommandeurs des Übergangsrates möglicherweise bereit, ihre Waffen niederzulegen. Man befinde sich in Gesprächen über eine Waffenruhe, sagte der Brigaden-Kommandant des Übergangsrates, Tuhami Sajani, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Verhandlungen gingen auf eine Initiative von Ältesten des Gaddafi-Stammes zurück, sagte Sajani.

Die Gaddafi-Anhänger forderten freien Abzug für Angehörige des Stammes sowie der bewaffneten Milizen aus Sirte. Sirte ist neben Bani Walid die letzte verbliebene Bastion Gaddafis.

Den Zivilisten sei bereits die Erlaubnis erteilt worden, die belagerte Stadt zu verlassen, sagte Sajani. Derzeit liefen Verhandlungen über die Bedingungen für eine Aufgabe der Milizen. Die seit Wochen anhaltenden Kämpfe um Sirte bringen die Zivilbevölkerung in immer größere Bedrängnis. „Wir sind sehr beunruhigt über die Lage der Menschen in Sirte und Bani Walid“, sagte ein Sprecher des Roten Kreuzes. Das Rote Kreuz und andere Organisationen verlangen freien Zugang zu den umkämpften Städten, um die Zivilisten zu versorgen. Kämpfer des Übergangsrats haben den Gaddafi-Truppen vorgeworfen, die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen und am Verlassen der umkämpften Gebiete zu hindern. (dapd/rtr/dpa/abendblatt.de)