Der frühere RAF-Anwalt soll Inoffizieller Mitarbeiter gewesen sein. Muss der Tod von Benno Ohnesorg im Jahr 1967 nun neu bewertet werden?

Berlin. Er gehört mit dem früheren Innenminister Otto Schily (SPD) und dem Spitzen-Grünen Christian Ströbele zu den schillerndsten Anwälten der deutschen Geschichte. Sie verteidigten in aufsehenerregenden Prozessen die Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) und sorgten mit ihren Ideen, Winkelzügen und den eigenen Biografien immer wieder für Überraschungen. Und jetzt gab Horst Mahler, 75, offenbar zu, dass er Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit war. Muss nun ein Teil der deutschen Geschichte in neuem Licht betrachtet werden?

Mahler hat eingeräumt, als sogenannter Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die Stasi gearbeitet zu haben. Wie die „Berliner Zeitung“ aus Ermittlerkreisen erfuhr, stand Mahler von 1967 bis 1970 in den Diensten der Stasi-Hauptverwaltung A, die für die Auslandsspionage zuständig war. Mahler war in den 1960er-Jahren eine der zentralen Figuren in der linken Außerparlamentarischen Opposition (APO). Später trat er als RAF-Anwalt in Erscheinung. Ende der 1990er-Jahre wandte er sich dem Rechtsextremismus zu und war vorübergehend NPD-Mitglied. Die neuen Erkenntnisse stehen in Zusammenhang mit Ermittlungen der Berliner Generalstaatsanwaltschaft zum mutmaßlichen Mord an dem Studenten Benno Ohnesorg im Jahr 1967.

Mahler sitzt derzeit in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel eine Haftstrafe wegen Volksverhetzung ab. „Bild am Sonntag“ hatte berichtet, Mahler sei bei der Stasi gewesen. Ohnesorg wurde am 2. Juni 1967 während einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien vom West-Berliner Kriminalbeamten Karl-Heinz Kurras erschossen. Kurras war 2009 als Stasi-IM enttarnt worden. Die Berliner Staatsanwaltschaft untersucht seither, ob der Schuss auf Ohnesorg als Mord bewertet und dem mittlerweile 83 Jahre alten Pensionär erneut der Prozess gemacht werden muss. Es geht dabei auch um die Frage, ob der Polizist im Auftrag Ost-Berlins schoss. Parallel dazu ermittelt seit zwei Jahren auch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Hier geht es um die Frage, ob der Pensionär wegen Landesverrats zu belangen ist. Auch diese Ermittlungen sind nach Auskunft aus Karlsruhe noch nicht beendet.

Kurras hatte seinen Schuss in Ohnesorgs Hinterkopf, der wesentlich zur Radikalisierung der westdeutschen Studentenbewegung beitrug, stets als Notwehr gerechtfertigt. Das Berliner Landgericht hatte ihn in zwei Verfahren 1967 und 1970 vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen.

Horst Mahler war damals Rechtsanwalt von Ohnesorgs Familie und hatte sie als Nebenkläger vertreten. Wäre es denkbar, dass Mahler seinerzeit einer Order aus Ost-Berlin folgte? Der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Ströbele, einer der Verteidiger Mahlers in einem RAF-Prozess Anfang der 1970er-Jahre, kann sich kaum vorstellen, dass Mahler für die Stasi spitzelte. Aber Ströbele will auch nichts ausschließen. „Ich habe bei ihm auch vieles andere nicht für möglich gehalten“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Die „Bild am Sonntag“ berichtete unter Berufung auf den vertraulichen Behördenbericht, die Ermittler hätten Material zusammengetragen, die Kurras’ Notwehr-Version widerlegen würden. Dabei spielten auch alte TV-Aufnahmen eine Rolle, in denen Kurras als Schattenriss zu sehen sein soll, der sich mit der Pistole in der Hand auf Ohnesorg zu bewege. Ob das für eine Anklage reicht? (abendblatt.de/dpa/dapd)