Da die Anklage enorm umfangreich ist, wird es wohl erst im Jahr 2012 zum Prozess gegen den rechtsradikalen Attentäter kommen.

Oslo. Anders Breivik , der Attentäter, der für den Doppelanschlag in Norwegen verantwortlich ist, soll am Freitag wieder verhört werden. Besonderes Augenmerk lege die Polizei dabei auf eventuelle "weitere Gefahren", sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Der 32-Jährige, der gestanden hat, bei einem Bombenanschlag in Oslo und einem Blutbad auf der Insel Utöya 76 Menschen getötet zu haben, hatte in einem ersten Verhör erklärt, international mit Gruppen und Einzelpersonen vernetzt zu sein, die seine rechtsextremistischen Ansichten teilten.

Experten haben die Angaben Breiviks in Zweifel gezogen. Nach Angaben der norwegischen Polizei gibt es keine Hinweise, dass weitere Anschläge zu befürchten sind. Um die Möglichkeit auszuschließen, dass der 32-Jährige „codierte Zeichen“ weitergeben könne, werde die Sitzung am Freitag dennoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Ministerpräsident Jens Stoltenberg kündigte am Mittwochabend an, dass eine unabhängige Kommission gegründet werde, um die Vorgänge rund um die beiden Anschläge sowie die als zu langsam kritisierten Reaktionen der Polizei darauf zu untersuchen. Zugleich mahnte er seine Mitbürger, dass das Massaker nicht die norwegische Kultur der Toleranz infrage stellen dürfe. Das Land müsse mehr als je zuvor zu der Offenheit stehen, die Breivik habe zerstören wollen.

Unterdessen gab die Polizei weitere Namen von Opfern der Anschläge bekannt. Die georgischen Behörden bestätigten am Donnerstag, dass die Leiche einer jungen Frau aus dem Land mit Schusswunden am Rücken auf dem Grund des Sees vor der Insel Utöya gefunden wurde. Das jüngste bisher identifizierte Opfer war nach Angaben der Polizei 14 Jahre alt. Wie die norwegische Regierung bereits am Mittwoch mitteilte, wurde bei der Explosion in Oslo auch eine Mitarbeiterin des Büros des Ministerpräsidenten getötet.

Gerichtsverhandlung erst 2012

Der Rechtsradikale Anders Behring Breivik kommt nach der Ermordung von 76 Menschen wohl erst im nächsten Jahr vor Gericht. Dann soll er jeden Mord einzeln erklären, sagte Norwegens Generalstaatsanwalt Tor-Aksel Busch am Donnerstag in Oslo. Busch sagte dem Rundfunksender NRK: „Aus Respekt vor den Toten und den Angehörigen muss der Täter für jede einzelne Tötung Rechenschaft ablegen.“

Das stelle auch entsprechende Anforderungen an die Beweisführung, sagte er weiter. Der Fall der zwei Terroranschlägen vom vergangenen Freitag sei so umfassend, dass die Ausarbeitung der Anklageschrift lange dauern werde. „Ich hoffe, die Leute haben Verständnis dafür“, sagte Busch.

Anklage kann nach seinen Angaben nicht vor dem Jahreswechsel erhoben werden. „Wir hoffen, dass die Hauptverhandlung im Lauf des nächsten Jahres angesetzt werden kann“, erklärte Norwegens Chef-Ankläger.

Als Vertreter der Angehörigen der Opfer hatte der Anwalt Brynjar Meling ebenfalls bei NRK erklärt, seine Mandaten hofften auf einen Prozess im Herbst. Die meisten seien Eltern getöteter Teenager.

Breivik hatte auf der Insel Utøya mindestens 68 Teilnehmer eines sozialdemokratischen Sommerlagers für Jugendliche getötet. Vorher hatte er eine Bombe vor dem Osloer Regierungshochhaus gezündet, acht Menschen starben dabei.

Geir Lippestad, der Verteidiger des nach dem Massaker festgenommenen und geständigen Täters, hält Breivik für geisteskrank.

Busch bestätigte Überlegungen, dass der 32-Jährige möglicherweise wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ angeklagt wird. Das würde eine Verurteilung zu 30 Jahren Haft ermöglichen, während bei dem vor dem Haftrichter angewandten Terrorparagrafen eine Verurteilung zu maximal 21 Jahren Haft möglich wäre. „Wir prüfen das natürlich sehr genau“, sagte Busch.

Bei dem seit 2008 in Norwegen geltenden Paragrafen des Strafgesetzbuches zählen zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch Angriffe auf eine Gruppe wegen der politischer Orientierung. Als Motiv für seine Anschläge gibt Breivik an, er habe den Sozialdemokraten „größtmöglichen Schaden“ zufügen wollen.