Der Anschlag von Oslo darf nicht mutlos machen.

Wir haben uns so gewöhnt an die Bilder des Terrors. An immer neue Anschläge in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt, in Afghanistan, im Irak, in Afrika. An die oft nur flüchtige Erwähnung der Opfer, deren Zahl häufig genug als einziger Maßstab für die Dimension eines wieder mal blutigen Kommandos herhalten muss. Und jetzt das: Terror im Norden Europas. Im Herzen einer freien und wohlhabenden Gesellschaft.

Die Toten des Anschlags in Norwegen stehen für eine neue Art des Schreckens. Er macht uns noch ratloser, noch hilfloser. Er lässt uns ahnungsloser da stehen als die erschreckenden Taten bekannter politischer Terrornetze. Der Terror in Oslo kommt von innen. Er kommt aus dem eigenen Land. Er gedeiht diesseits verschärfter Grenzkontrollen, kündigt sich nicht in Manifesten und Bekennerschreiben an, wächst im Verborgenen. Das bedeutet auch: Er ist nicht zu verhindern. In keiner Demokratie. Ja nicht mal in einem Überwachungsstaat.

Härtere Gesetze helfen nicht. Wir wissen ja nicht mal, was den Täter getrieben hat. Die Frage nach dem Motiv ist manchmal sowieso nur ein hilfloser Versuch, das Unfassbare irgendwie doch noch zu fassen. Den Opfern nützt sie nichts mehr, den Trauernden gibt sie keinen Trost. Sicher ist bisher nur, dass die ersten Reflexe vieler Beobachter falsch waren. Islamisten sind nicht für jeden Anschlag verantwortlich. Wer sich in einem nachrichtlichen Vakuum auf Vermutungen verlässt, kann schnell vom Weg abkommen. Vorurteile vernebeln die Sicht.

Viele Fragen bleiben. Reicht der wirre Gedanke eines modernen Tempelrittertums als Erklärung für diese Untat aus? Kann die abwegige, politische Gesinnung eines 32-Jährigen eine solche Wahnsinnstat auslösen? Wie weit muss man sich von zivilisierten Gedanken entfernen, um wehrlose Mitmenschen, manche fast noch Kinder, ohne Gefühlsregung zu erschießen? War hier ein Geistesgestörter am Werk?

Einige Antworten wird die Zukunft bringen. Doch wir müssen damit leben, dass kein Land Sicherheit garantieren kann. Norwegens König Harald hat die Anschläge als "Angriff auf unsere Gesellschaft und unsere Demokratie" verurteilt. Aber, so der König weiter: Freiheit ist stärker als Angst. Es sei weiter möglich, frei und sicher zu leben. Der Terror darf nicht mutlos machen. Das gilt nicht nur für die Menschen in Norwegen.