Übeschüsse sollten für Reserven genutzt werden, um eine Pleite wie bei der City BKK zu vermeiden. Auch Minister Bahr lehnt niedrigere Beiträge ab.

Hamburg. Die gesetzliche Krankenversicherung ist dank des wirtschaftlichen Booms in Deutschland im Plus. Trotzdem will die Bundesregierung den Einheitsbeitrag von 15,5 Prozent vom Monatsbrutto nicht senken. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) lehnte entsprechende Überlegungen auch aus der CSU ab. Dabei hatte die schwarz-gelbe Regierungskoalition bei Amtsantritt 2009 sinkende Belastungen für Arbeitnehmer und Unternehmen angekündigt. Nach den neuen vom Gesundheitsministerium veröffentlichen Zahlen verzeichneten alle Kassen in den ersten drei Monaten ein Plus von rund 1,47 Milliarden Euro. Dies ist mehr als sechsmal so viel wie im selben Zeitraum des Vorjahres.

Das größte Plus fuhren die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mit 627 Millionen Euro ein, gefolgt von den Ersatzkassen (518 Millionen), den Betriebskrankenkassen (113 Millionen Euro), den Innungskrankenkassen (121 Millionen Euro) und der Knappschaft Bahn-See (78 Millionen Euro). Das Ministerium verwies allerdings darauf, dass sich aus dem Ergebnis keine Prognose für das Gesamtjahr ableiten lässt.

Trotz dieses Milliardenplus warnt auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vor einem Absenken der Beiträge. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte dem Hamburger Abendblatt (Sonnabendausgabe): „Es ist unverantwortlich, über Beitragssenkungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu fabulieren, während rund 20 Krankenkassen von der Pleite bedroht sind und die City BKK bereits Insolvenz anmelden musste. Überschüsse sollten für eine Reserve genutzt werden, um weitere Krankenkassenpleiten zu verhindern.“ Buntenbach sagte, das Wichtigste derzeit sei, die Verunsicherung der Versicherten zu beenden und Zusatzbelastungen für Arbeitnehmer zu vermeiden.“

Der DGB macht auf einen Trick im Mechanismus des Gesundheitsfonds aufmerksam. „Auch wenn es paradox klingt: Eine Senkung des allgemeinen Beitragssatzes würde in den nächsten Jahren sogar zu höheren Belastungen der Versicherten führen. Wenn der Arbeitgeberbeitrag auf noch niedrigerem Niveau eingefroren wird, müssten die Versicherten in Zukunft noch höhere Kopfpauschalen zahlen“, sagte Buntenbach. Es gebe keinen Anlass, die Arbeitgeberbeiträge zu senken. Obwohl die Beiträge zur Kranken- und zur Arbeitslosenversicherung Anfang des Jahres 2011 angehoben wurden, boome die Wirtschaft.

Die Kassen gaben deutlich weniger für Arzneimittel aus: Im Vergleich zum Vorjahresquartal sanken diese Ausgaben um 4,8 Prozent. Die schwarz-gelbe Regierung hatte im Jahr 2010 den Zwangsrabatt für Medikamente erhöht und ein Preismoratorium verhängt. Gleichwohl stiegen die gesamten Ausgaben pro Versicherten um 3,1 Prozent. Hier fällt ins Gewicht, dass die Krankenhausbehandlungen um 4,8 Prozent stiegen sowie das Krankengeld um 11,2 Prozent. Das geht allerdings auf einen größeren Kreis von Berechtigten zurück.

Die CSU hat mittelfristig eine Beitragssenkung in der Krankenversicherung in Aussicht gestellt. Im Fall einer guten Konjunkturentwicklung im kommenden Jahr und zusätzlichen Überschüssen im Gesundheitsfonds „ müssen wir über eine Entlastung der Versicherten reden “, sagte der CSU-Gesundheitspolitiker Johannes Singhammer der „Financial Times Deutschland“. Zunächst seien Beitragssenkungen aber noch nicht sinnvoll, denn die prognostizierten Rücklagen des Fonds zum Jahresende reichten noch nicht für eine nachhaltige Absenkung. Den Versicherten von mehr als 20 gesetzlichen Krankenkassen drohen nach verschiedenen Berichten weitere Zusatzbeiträge oder das Streichen von Leistungen. Der Grund sind mangelnde finanzielle Reserven dieser Kassen. Allerdings laufen derzeit Verhandlungen über neue Fusionen, sodass angeschlagene Kassen unter das Dach finanzkräftiger wechseln könnten. Dadurch könnten weitere Zusatzbeiträge und Belastungen der Versicherten vermieden werden.