Forderungskatalog an die Politik. Der Hamburger Arzt Frank Ulrich Montgomery gilt als Favorit bei der Wahl zum neuen Ärztekammer-Präsidenten.

Hamburg/Kiel. Kurz vor Beginn des 114. Deutschen Ärztetages in Kiel hat der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, einen umfassenden Forderungskatalog an die Politik und den neuen Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) aufgestellt. Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt sagte Montgomery: „Ganz oben auf der Agenda steht die Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen der Ärzte. Wir müssen den Arztmangel, der zu einer flächendeckenden Seuche wird, bekämpfen und die Abwanderung junger hoch qualifizierter Ärztinnen und Ärzte ins Ausland stoppen.“ Montgomery, der als Nachfolger von Ärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe kandidiert, will außerdem „die Ärzteschaft einen und gemeinsame ethische wie gesundheitspolitische Positionen erarbeiten“.

Unstrittig für die Ärzte ist eine dringende Neuordnung ihrer Bezahlung: „Wir brauchen jetzt schnell eine neue Gebührenordnung für Ärzte – die alte stammt noch aus den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Wir wollen gemeinsam mit der Politik die Zusammenarbeit von Krankenhaus und Praxis verbessern und die Attraktivität des Berufs Arzt steigern“, so Montgomery. „Wir wollen die alles erstickende Bürokratie bekämpfen und den Ärzten wieder Freiheitsräume für ärztliche Tätigkeit schaffen.“ Seit Jahren beklagen Klinikärzte eine Überlastung und zu wenig Zeit für den einzelnen Patienten. Montgomery sagte: „Wer wirklich etwas ändern will, kommt an einer besseren finanziellen Ausstattung der Medizin nicht vorbei.“

In dasselbe Lied stimmen die gut 150.000 niedergelassenen Mediziner in Deutschland ein. Sie fordern unter anderem eine bessere Bezahlung für die „sprechende Medizin“, den direkten Kontakt mit den Patienten. Doch das Gesundheitswesen ist chronisch unterfinanziert. Die Zahl der Älteren in Deutschland und damit die der Aufwendungen für Kranke steigt beharrlich. Die Krankenkassen verweisen auf steigende Kosten für Krankenhaus-Behandlungen und Praxisärzte. Die Bundesärztekammer hat eine Diskussion um die „Priorisierung“ angestoßen. Damit sind Reihenfolgen gemeint, was, wer und wie zuerst behandelt werden soll. Die Medizin werde für die Patienten ohnehin rationiert, argumentiert Kammer-Präsident Hoppe. Die Politik lehnt die Diskussion darüber ab.

Bei seiner Kandidatur hat der Hamburger Arzt Montgomery Gegenkandidaten wie den Berliner Chirurgen Günter Jonitz, dessen westfälischen Kollegen Theodor Windhorst und den oft als „Rebellen“ bezeichneten Hausarzt Martin Grauduszus, Präsident der Freien Ärzteschaft. Einige niedergelassene Ärzte fühlen sich vom Präsidentschafts-Favoriten Montgomery nicht so vertreten wie gewünscht. Zugeben müssen jedoch alle: In den großen Debatten führt Montgomery das Wort wie kein Zweiter. So prangert er das Chaos bei den Kassen nach der City-BKK-Pleite an. „Die Krankenkassen haben mit ihrem unwürdigen Verhalten gezeigt, wie gefährlich es ist, ihnen mehr Macht und mehr Einfluss im Gesundheitswesen zuzubilligen“, so Montgomery zum Abendblatt

„Die Verpflichtung zur Aufnahme der Mitglieder pleite gegangener Kassen sollte so durchgesetzt werden, dass die Mitglieder einfach nur einen Ankreuzbogen mit allen vorhandenen Kassen nach Hause geschickt bekommen und dann – wie bei einer Briefwahl – zu Hause und ohne Verwaltungsstress entscheiden können, wer sie zukünftig versichern soll. So kann man den Menschen die Angst nehmen, nach einer Kassenpleite unversichert zu bleiben.“

Auch die AOK fordert politische Konsequenzen. Der Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, sagte dem Hamburger Abendblatt, mit einer geringfügigen Gesetzesänderung könne man ein künftiges Chaos beim Kassenwechsel vermeiden. Außerdem forderte Jacobs ein Frühwarnsystem für finanziell angeschlagene Krankenkassen. „Man sollte das Gesetz dahingehend ändern, dass die Versicherten einer Kasse, die sich in Auflösung befindet, automatisch vom Kassenverband wie den Betriebskrankenkassen oder Ersatzkassen aufgenommen werden. Auch wenn ihre alte Kasse aufgelöst wird, hätten sie zunächst die Sicherheit, dass sie eine neue Kasse haben. Dann haben die Versicherten genügend Zeit, selbst zu entscheiden, welche neue Kasse sie wollen“, sagte Jacobs.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sieht weitere Kassen von der Pleite bedroht. Der Verband habe „vermehrte Anhaltspunkte für eine potenzielle Gefährdung“ bei insgesamt 23 Kassen gesehen, berichtete die „Wirtschaftswoche“. Das Magazin beruft sich auf interne Schätzungen der GKV von vor der Schließung der City BKK.