Heftiger Schlagtausch über den Atom-Ausstieg. Merkel erklärt die Energiewende, Oppositionsführer Steinmeier wettert gegen die Regierung.

Berlin. Es war ein heftiger Schlagabtausch, den sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier im Bundestag über die Atompolitik und die Energiewende lieferten. Dabei sollen am Ende alle Parteien den Ausstiegsplänen der Bundesregierung zustimmen. Merkel hat zur Überprüfung der Energiewende eine jährliche Berichterstattung an den Bundestag angekündigt. Unter Berücksichtigung der Erhebungen des Statistischen Bundesamts und von Energiestudien solle geschaut werden, ob man im Plan ist, betonte Merkel in einer Regierungserklärung zum Atomausstieg und zur Energiewende. „Wir können als erstes Industrieland der Welt die Wende zum Zukunftsstrom schaffen.“

Für Merkel ist die Energiewende hin zu mehr Ökostrom nur möglich, wenn Bürger und Parteien beim notwendigen Netzausbau mitziehen. Mit dem neuen Netzausbaubeschleunigungsgesetz sollten Planungen beim Bund gebündelt und für Offshore-Windparks Sammelanbindungen garantiert werden, sagte Merkel.

Die Windkraft an Land und auf See soll zum Antreiber der Energiewende werden. Die erneuerbaren Energien sollten insgesamt schneller marktfähig werden, sagte Merkel im Bundestag. Die von den Verbrauchern über den Strompreis zu zahlenden Kosten sollen langfristig sinken.

Lesen Sie auch

Kartellamt: Energiewende stärkt zunächst die Stromkonzerne

Gebäudesanierung: Mein Haus, meine Tankstelle

Profitiert der Norden vom Atomausstieg?

Die Regierung wolle bis 2020 einen Ökostromanteil von 35 Prozent und bis 2050 von 80 Prozent. Der Stromverbrauch soll bis 2020 um zehn Prozent gesenkt werden. „Erreichen können wir diese Ziele nur durch einen tief greifenden Umbau unserer Energieversorgung“, sagte Merkel. Man steige nicht einfach nur aus der Kernenergie aus, „sondern wir schaffen die Voraussetzungen für die Energieversorgung von morgen“, betonte die Bundeskanzlerin.

Für mehr Energieeinsparungen soll die Dämmung alter Gebäude verbessert werden. Die Mittel für die Gebäudesanierung würden auf 1,5 Milliarden Euro jährlich aufgestockt, sagte Merkel. Hinzu kämen Steuerabschreibungsmöglichkeiten für die Sanierungskosten. Pro Jahr können laut der bisherigen Planung bis zu zehn Prozent von der Steuer abgesetzt werden. Merkel bezifferte das Gesamtvolumen dieser Maßnahme auf weitere 1,5 Milliarden Euro. Die Regierung will die jährliche Sanierungsquote auf zwei Prozent verdoppeln. In Gebäuden werden bis zu 40 Prozent der gesamten Energie verbraucht.

Merkel hat ihre Kehrtwende in der Atompolitik mit der veränderten Lage durch die drei Kernschmelzen in den Reaktoren von Fukushima begründet. „Noch immer steigt radioaktiver Dampf in die Atmosphäre“, sagte Merkel. Ein Ende des Schreckens sei noch nicht in Sicht. „Deutschland steht weiter an der Seite Japans“, betonte Merkel. Die Ereignisse seien ein Einschnitt für die Welt, aber auch „ein Einschnitt für mich ganz persönlich“. Sie habe für sich eine neue Bewertung vorgenommen, sagte die gelernte Physikerin.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat Bundeskanzlerin Merkel in der Debatte über den Atomausstieg „falsches Pathos“ und Unaufrichtigkeit vorgeworfen. „Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet Sie sich hinstellen als die Erfinderin der Energiewende in Deutschland, das zieht einem doch die Schuhe aus“, sagte Steinmeier. Den jetzt geplanten Atomausstieg bis 2022 habe die rot-grüne Bundesregierung vor zehn Jahren schon einmal beschlossen und vorbereitet. Union und FDP hätten damals dagegen „gehetzt“. „Nach zwei Kehrtwenden um 180 Grad sind Sie genau dort angekommen, wo Rot-Grün die Dinge schon gestaltet hat“, sagte der SPD-Politiker. „Das ist nicht das Gesetz zur Energiewende, das ist Ihr Irrtumsbereinigungsgesetz.“

Steinmeier schloss dennoch eine Zustimmung der Sozialdemokraten zu den Energiegesetzen der Regierung nicht aus. Das insgesamt 700 Seiten starke Gesetzespaket werde man sehr genau anschauen, sagte er und forderte zugleich bereits Nachbesserungen. So müsse sich die Regierung zu einer „ergebnisoffenen Endlagersuche“ durchringen und darauf achten, dass alle Wertschöpfungsstufen der Wirtschaft in Deutschland erhalten bleiben. (dpa/dapd)