Der deutsche Außenminister mischte sich auf einen Tee unter das aufmüpfige Volk. Wie Guido Westerwelle für und um Ägypten wirbt.

Kairo. Der Außenminister grüßt winkend die Männer vor der Teestube, drinnen hängt noch ein Bild des langjährigen Herrschers Husni Mubarak. Die Personenschützer des Bundeskriminalamts (BKA) kommen ins Schwitzen, als sich Guido Westerwelle durch die engen Gassen im Basarviertel Khan al-Khalili der ägyptischen Hauptstadt Kairo quetscht. Im Flugzeug hatte er sich überlegt, man könne mal durch die Stadt ziehen und schauen, wie es den Menschen geht. Das Protokoll musste hektisch umdisponieren. Westerwelle erlebt Ägypter, für die die Normalität nach dem Sturz Mubaraks am 11. Februar mit all ihren Problemen zurückgekehrt ist und die neben mehr Demokratie vor allem auf ein Wiedererstarken des Tourismus hoffen. „Kairo ist immer eine Reise wert“, appelliert Westerwelle, einen Beitrag dazu zu leisten.

Am 23. und 24. Februar war er erstmals nach dem Umbruch hier. Sein damaliges Bad in der Menge auf dem Tahrir-Platz, dem Zentrum der Freiheitsbewegung, bezeichnet er als „unvergessliches Erlebnis“. Mit seiner schnellen Rückkehr will er zeigen, dass man Ägypten angesichts der Ereignisse in Libyen nicht vergessen darf, wenn das Demokratieprojekt gelingen soll. Auf dem Tahrir-Platz sind an diesem Abend nur noch wenige Menschen, die ausgebrannte Zentrale der Mubarak-Partei steht wie ein Mahnmal am Rande des Platzes. Es wird diskutiert, ob man sie zur Erinnerung an die Revolution stehen lässt.

„Och, wir haben doch Zeit, lasst uns einen Tee trinken“, sagt Westerwelle, biegt in eine kleine Gasse ab und kehrt ein paar Meter weiter in das Café al-Fishawy ein. Eine Frau sitzt in seinem Rücken und erkennt ihn. Während der kleine Sohn gelangweilt an einer Pepsi-Dose knabbert, zupft sie ihr Kopftuch zurecht, der Außenminister schmiegt sich an die Frau, ihr Mann macht per Handy ein Foto. Westerwelle weiß, dass ein Basar-Besuch schöne Bilder für die Heimat liefert. Sie lenken auch etwas ab von der nationalen wie internationalen Debatte um das Nicht-Mitmachen Deutschlands beim Einsatz gegen Libyens Despoten Muammar al-Gaddafi.

Ägypten mit seinen 80 Millionen Einwohnern könnte der Schlüssel zum Erfolg der Demokratiebewegung in der Region sein. Mit Außenminister Nabil al-Araby und mit Ministerpräsident Essam Shara ruft Westerwelle dazu auf, am Demokratiefahrplan festzuhalten. Noch hat das Militär das Sagen, im Herbst sollen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden und anschließend eine neue Verfassung erarbeitet werden.

Westerwelle will in Kairo nach der Aufgabe des FDP-Vorsitzes auch die innerparteiliche Zermürbung vergessen machen. Kairo, der Tahrir Platz und die Revolution sind ihm wichtig. Westerwelle betont, Ägypten sei auch entscheidend bei der Lösung des Nahostkonflikts. Sorgen bereiten Rückschläge: Der Tod von zwei Demonstranten in der Nacht auf den 9. April bei der Räumung des Tahrir-Platzes. Und die Verurteilung des Bloggers Maikel Nabil zu drei Jahren Haft wegen „Beleidigung des Militärs“. Zugleich wurden aber bis auf die Aufhebung des Ausnahmezustands fast alle Kernforderungen der Freiheitsbewegung erfüllt. Und der bis zum 11. Februar fast 30 Jahre herrschenden Mubarak muss sich sogar den Korruptionsvorwürfen stellen, fast die gesamte frühere Führung sitzt in U-Haft.

Irgendwann muss sich die EU auch die Frage stellen, ob sie mit einer stärkeren Marktöffnung etwa für Obst, Gemüse und Textilien dem arabischen Freund unter die Arme greift. Westerwelle will sich dafür stark machen. Daneben forciert er die politische Hilfe. In Berlin traf sich Westerwelle mit den Vorsitzenden der politischen Stiftungen, um zu beraten, wie die Büros in Kairo beim Aufbau von Parteien, Gewerkschaften und Stipendienprogrammen helfen können.

Auch dass die deutsche Stasi-Unterlagenbehörde in Kairo über Erfahrungen mit den Stasi-Akten informierte, ist ein Hilfsangebot bei der Vergangenheitsbewältigung. Zudem startete im Goethe-Institut Kairo die Tahrir-Lounge, um Ägyptern, die den Wandel mit angestoßen haben, ein Forum zum Austausch über die Zukunft zu bieten. Jährlich 50 Millionen Euro sollen bis 2013 bereitgestellt werden, um den Umbruch zu fördern.

Es gehe um einen langen Atem, sagt Westerwelle. Mit Blick auf die Jasminrevolution in Tunesien, die der Ausgangspunkt des Dominoeffekts im arabischen Raum war, betont der Minister, Jasmin sei ein sensibles Pflänzchen, das schnell eingehen kann. Jetzt gehe es deshalb darum, dass dem arabischen Frühling ein Sommer und kein Winter folge. (dpa)