Der neue Vorsitzende der Liberalen startet im Allzeit-Tief. Wären jetzt Wahlen, gäbe es eine grüne Bundeskanzlerin: Renate Künast.

Hamburg. Die FDP geht mit ihrem künftigen Vorsitzenden Philipp Rösler schweren Zeiten entgegen. Das verloren gegangene Vertrauen muss dringend wiedergewonnen werden, um überhaupt noch bei Wahlen zu gewinnen. Sonnenschein pur verkünden dagegen die Grünen. Nach ihrem historischen Wahlerfolg in Baden-Württemberg klettern sie auch bundesweit auf einen neuen Höchstwert. Im „Stern-RTL“-Wahltrend legen die Grünen im Vergleich zur Vorwoche um sieben Punkte auf 28 Prozent zu. Damit erreichen sie ihren besten je im Wahltrend gemessenen Wert. Die SPD verliert zwei Punkte und kommt auf 23 Prozent. Zusammen erreichen beide Parteien 51 Prozent.

Erstmals seit der Bundestagswahl 2009 hätten Grüne und Sozialdemokraten damit eine absolute Mehrheit, wobei die Grünen als stärkere Partei den Bundeskanzler stellen könnten. Das Regierungslager aus Union und FDP hat nach dem Wahldebakel im Südwesten und der Führungskrise bei den Liberalen dramatisch an Zustimmung verloren. Die Union gibt drei Punkte ab und landet bei 30 Prozent, die FDP verliert zwei Punkte und wäre mit nur noch drei Prozent nicht mehr im Bundestag vertreten. Mit gemeinsam 33 Prozent liegt die schwarz-gelbe Koalition 18 Punkte hinter einem grün-roten Bündnis. Die Linke gewinnt einen Punkt, bleibt mit neun Prozent aber weiter einstellig.

Nach Einschätzung von Forsa-Chef Manfred Güllner profitieren die Grünen davon, dass Union, SPD und FDP als einziges Thema nur noch über den Atomausstieg debattierten. Dies sei aber ein originäres Thema der Grünen. Die Atombefürworter in Union und FDP fühlten sich dagegen im Stich gelassen. Zudem habe der Regierung geschadet, dass die Menschen die abrupte Atomabkehr als nicht glaubhaft empfänden. Ob die FDP mit ihrem Wechsel an der Parteispitze beim Wähler punkten könne, bezweifelte der Forsa-Chef. Der scheidende FDP-Chef Guido Westerwelle werde schließlich auch als Außenminister negativ beurteilt. „Gibt er nicht auch dieses Amt auf, wird sich wenig ändern“, sagte er.

Nach der „Stern“-Umfrage findet jeder Zweite (51 Prozent) gut, dass Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann künftig von einem Grünen regiert wird. Sogar 29 Prozent der Unions-Anhänger und 33 Prozent der FDP-Wähler begrüßen dies. Auf die Frage, welcher grüne Politiker angesichts der großen Zustimmung für die Partei künftig in der bundesdeutschen Politik eine wichtige Rolle spielen solle, nannten 48 Prozent der Befragten Fraktionschefin Renate Künast. Mit 46 Prozent kommt Parteichef Cem Özdemir auf den zweiten Platz. 40 Prozent wollen, dass Co-Fraktionschef Jürgen Trittin großen Einfluss haben sollte. Von Winfried Kretschmann wünschen dies 39 Prozent. Mit 36 Prozent schneidet Parteichefin Claudia Roth am schwächsten ab. (abendblatt.de/ryb/rtr)