Gaddafis Truppen setzen offenbar Streubomben ein. Brüderle will Milliarden des Diktators für humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen freigegeben.

Berlin/Tripolis. Die Gelder des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi sollen der humanitären Hilfe zu Gute kommen. Vorerst hat die Bunderegierung die Konten des Diktators eingefroren. In Deutschland seien das sechs Milliarden Dollar. Wie ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministers Rainer Brüderle (FDP) am Sonnabend sagte und damit einen Bericht des "Spiegels" bestätigte, werde überlegt, das Vermögen Gaddafis mit den Geldern, die aus dem übrigen Europa sichergestellt wurden, auf ein Treuhänderkonto der Vereinten Nationenn zu überweisen. Von dem Geld könnten die UN humanitäre Lieferungen finanzieren und damit die Not der libyschen Bevölkerung lindern.

Das Magazin berichtet weiter, dass Brüderle in einem Vermerk eine entsprechende Initiative der Europäischen Union (EU) angeregt habe. Die Bunderegierung selbst könne nicht selbst vorgehen, denn dies sei juristisch nicht möglich. Die Konten des Gaddafi-Regimes waren auf eine EU-Verordnung hin eingefroren worden. Konkret habe der Minister nun einen Erlass vorgeschlagen, der dem Gaddafi-Regime endgültig die Gelder entziehen würde. Völkerrechtlich spreche nichts dagegen. Schließlich sei es der erklärte Wille der Staatengemeinschaft, "die eingefrorenen Vermögenswerte so bald wie möglich dem libyschen Volk zu dessen Nutzen zur Verfügung zu stellen“, schreibt Brüderle dem Bericht zufolge in dem Vermerk.

Gaddafi setzt offenbar Streubomben ein

Unterdessen sollen Gaddafis Truppen bei einem Angriff auf die Rebellen-Hochburg Misrata offenbar Streubomben eingesetzt haben, wie Menschenrechtsaktivisten und Rebellen berichteten. Streubomben gelten als besonders große Bedrohung für die Zivilbevölkerung, weil sie aus zahlreichen Ablegern bestehen, die über große Gebiete verteilt werden. Die libysche Regierung bestritt den Einsatz solcher Bomben.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete am Freitag, Gaddafi-Truppen hätten Streubomben auf Wohngebiete in der westlichen Stadt Misrata abgefeuert. Die Organisation habe mindestens drei Streubomben über dem Stadtviertel al-Schawahda in der Nacht zum Donnerstag explodieren sehen. "Es ist abstoßend, dass Libyen diese Waffe einsetzt, vor allem in einem Wohngebiet“, sagte Steve Goose von Human Rights Watch. Er rief die Regierung auf, den Einsatz von Streubomben sofort zu beenden und sicherzustellen, dass Zivilisten vor den tödlichen Rückständen dieser Bomben geschützt seien.

Das Gebiet, in dem laut der Menschenrechtsorganisation Streubomben einschlugen, liegt rund einen Kilometer von der Frontlinie entfernt, an der sich Gaddafi-Truppen und die Aufständischen bekämpfen. Ableger der Bomben seien offenbar rund 300 Meter von einem Krankenhaus eingeschlagen, hieß es.

Während des heftigen Angriffs auf das seit 50 Tagen belagerte Misrata kreiste am Freitag ein Hubschrauber trotz des UN-Flugverbots mehrere Stunden lang über der Stadt – offenbar, um Ziele für die Artillerie auszukundschaften. Gaddafis Einheiten beschossen die Stadt nach Angaben von Bewohnern mit Artillerie, Panzern und Raketen.

Acht Leichen seien in ein Krankenhaus eingeliefert worden, sagte ein Einwohner von Misrata, der aus Angst vor Vergeltung anonym bleiben wollte. Unter den Kämpfern gebe es vermutlich noch mehr Verluste, sagte er. Gaddafis Truppen kontrollierten am Freitag das Stadtzentrum von Misrata, während die Rebellen Gebiete in Hafennähe unter ihrer Kontrolle hatten.

Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton äußerte sich beunruhigt über die Berichte über den Einsatz von Streubomben. Die NATO teilte unterdessen mit, dass zusätzliche Präzisionswaffen benötigt würden, um Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Ein Sprecher der libyschen Regierung, Mussa Ibrahim, bestritt den Einsatz von Streubomben.

Die internationale Hilfsorganisation IOM brachte unterdessen rund 1.200 Menschen aus Misrata mit einem Schiff in Sicherheit. Die Flüchtlinge seien dehydriert und auf ärztliche Behandlung angewiesen gewesen, hieß es. IOM-Koordinator Jeremy Haslan sagte, er habe das Geräusch von Beschuss und Mörserfeuer wahrgenommen, als sich das Schiff im Hafen von Misrata befunden habe.

Die evakuierten Flüchtlinge gehören nach Angaben der Organisation zu 8.300 ausländischen Arbeitern, die ohne Obdach und ausreichend Lebensmitteln und Wasser im Hafen der Stadt festsitzen. (abendblatt.de/reuters/dapd)