Die Lage nach dem Bombardement von Kundus sei unsicher gewesen. Steinmeier hatte andere Einschätzung als der Verteidigungsminister.

Berlin. Im Kundus-Untersuchungsausschuss hat der ehemalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sein Vorgehen nach dem tödlichen Bombardement auf zwei entführte Tanklaster in Afghanistan verteidigt. Angesichts der zunächst unklaren Informationslage sei er nach dem 4. September 2009 „in der Öffentlichkeit relativ zurückhaltend“ gewesen. Er habe davon abgesehen, „öffentlich zu sagen, dass es keine zivilen Opfer gegeben hat“, sagte Steinmeier. „Ich war mir auch nicht sicher über das, was wirklich vorgefallen ist“, sagte Steinmeier über die ersten Stunden und Tage nach dem Vorfall, bei dem bis zu 142 Menschen getötet wurden, unter ihnen auch viele Zivilisten. Der SPD-Fraktionschef fügte an, auf Medienanfragen habe er zunächst geantwortet, dass man nicht wisse, wie viele Opfer es gegeben habe und ob zivile Opfer darunter gewesen seien. Ausschlaggebend für diese Haltung sei seine Erfahrung gewesen, dass sich die Nachrichtenlage bei einem solchen Vorfall noch ändern könne, sagte Steinmeier.

Ein erster ausführlicher Bericht sei ihm erst am 11. September 2009 und damit nach seinem Debattenbeitrag im Bundestag vom 8. September zugegangen, betonte Steinmeier. Damals hatte es eine Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegeben. Steinmeier sagte, er habe am Morgen nach dem Bombardement in der Presselage von dem Vorfall erfahren. Es seien erste Gespräche geführt worden, wie man da „öffentlich reagiert“. In einer rückblickenden Bewertung des Vorfalls erklärte Steinmeier, er habe nach dem Einsatz gedacht, dass dieser „entscheidend für das weitere Engagement der Bundeswehr in Afghanistan sein wird“. Er habe mehrfach gesagt, „dass wir darüber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können“. 2009 sei zwar ein Wahlkampfjahr gewesen, dies habe aber bei der Bewertung keine Rolle gespielt, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Die vielen Toten seien „auch politisch kritisch“ gewesen. Die Nachrichten seien dazu angetan gewesen, die Neuausrichung des militärischen Einsatzes in Afghanistan zu konterkarieren, sagte Steinmeier. Schließlich sei es einhellige Auffassung gewesen, dass zivile Opfer zu vermeiden seien. Er habe es als seine vordringliche Aufgabe verstanden, dass dieses Bombardement die politischen Leitlinien und Absichten der Bundesregierung sowie „ihre Glaubwürdigkeit nicht untergraben“. Deshalb habe er in den Tagen nach dem Vorfall mit dem afghanischen Außenminister telefoniert, sagte Steinmeier. Er habe die deutsche Leitlinie bekräftigt, „bei unserem Einsatz zivile Opfer zu vermeiden“.

Auch habe er immer gesagt, dass die Bundesregierung schnellstmögliche Aufklärung schaffen werde, sagte Steinmeier. Dazu habe es auch Bemühungen gegeben. Das Auswärtige Amt habe allerdings „kaum Möglichkeiten“ gehabt, eigene Untersuchungen vor Ort anzustellen. Er hätte sich eine schnellere Aufklärung der zivilen Seite gewünscht, sagte Steinmeier. Das Verteidigungsministerium habe offensichtlich erst die militärische Seite bedient, auch wenn seine Mitarbeiter in Kontakt mit dem Verteidigungsressort gestanden hätten. Deshalb habe es später keine unterschiedlichen Informationslagen in beiden Ministerien, aber wohl „unterschiedliche Bewertungen der Lage“ gegeben, sagte Steinmeier.

Der Untersuchungsausschuss war vom Bundestag eingesetzt worden, um unter anderem die Verantwortung des deutschen Oberst Georg Klein zu klären, der den Angriff angeordnet hatte. Der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) musste zurücktreten, weil er noch in einem Interview zwei Tage nach dem Bombardement gesagt hatte, es habe bei dem Angriff keine zivilen Opfer gegeben. Diese Darstellung wurde vom Verteidigungsminister erst in der folgenden Woche korrigiert.