„Inspirierend, aber allgemein“, nannten Kommentatoren die „State of the Union“. Präsident Barack Obama las auch dem Kongress die Leviten.

Washington. Präsident Barack Obama will die USA als größte Wirtschaftsmacht aufmöbeln und damit den Amerikanern zu mehr Jobs verhelfen. In seiner Rede zur Lage der Nation warnte er vor einem Abrutschen in die Zweitklassigkeit. „Wir müssen Amerika zum besten Ort auf der Erde machen, um Geschäfte zu betreiben“, sagte der Präsident vor beiden Häusern des Kongresses. Zugleich kündigte er an, dass drastisch gespart werden solle. Die oppositionellen Republikaner beschwor er, sich gemeinsam mit ihm den Herausforderungen zu stellen. An einer Zusammenarbeit gehe kein Weg vorbei.

„Wir werden uns zusammen vorwärts bewegen oder überhaupt nicht“, warnte er die Konservativen, die bei der Kongresswahl im November die Mehrheit im Abgeordnetenhaus übernommen hatten. In der konzilianten Rede nannte Obama offensichtlich wegen des Sparzwanges und des gigantischen Haushaltsdefizits nur wenige konkrete Maßnahmen. So hieß es auch in ersten Reaktionen von Fernsehkommentatoren, Obamas Ansprache sei „inspirierend“, aber eher „allgemein“ gewesen. Dennoch äußerten sich bei einer Umfrage des Senders CNN noch am Abend 52 Prozent positiv über Obamas Rede, in der die Außenpolitik nur eine untergeordnete Rolle spielte. Die Rede stand noch sehr unter dem Eindruck des Attentates von Arizona, wo ein geistig verwirrter 22-Jähriger am 8. Januar sechs Menschen erschoss und 13 verwundete, darunter die Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords.

So gehörten zu den Ehrengästen in der Loge der First Lady Michelle Obama auch Angehörige und Freunde der Opfer. Zudem mischten sich in den Sitzreihen demonstrativ Mitglieder der Demokraten und Republikaner, statt wie üblich strikt getrennt zu sitzen. Mehrere Abgeordnete und Senatoren hatten angekündigt, damit für einen zivileren Umgang zwischen den Parteien werben zu wollen. Für den Anschlag auf die Politikerin wurde unter anderem auch eine die aufgeheizte politische Atmosphäre in den USA verantwortlich gemacht.

Unter den Zuschauern im Kapitol waren etwa die Eltern des 9-jährigen Mädchens Christina Green, das in dem Kugelhagel vor einem Supermarkt in der Stadt Tucson ums Leben gekommen war. Auch Giffords’ Praktikant Daniel Hernandez, der nach Berichten mit seiner Erste-Hilfe-Leistung das Leben der Abgeordneten rettete und seitdem als Held gefeiert wird, wohnte der Rede bei.

Giffords’ Ehemann, der Space-Shuttle-Astronaut Mark Kelly nahm eine Einladung der Obamas dagegen nicht an. US-Medien berichteten, er habe lieber in Houston (Texas) bleiben wollen, wo seine Frau nach ihrem Kopfschuss weiter in ernster Verfassung in der Klinik liegt.

Die Rede insgesamt stand im Zeichen des Kampfes gegen die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger Verringerung des Haushaltsdefizits. Zum Abbau des Schuldenberges schlug Obama vor, frei verfügbare Etatposten im Inlandsbereich fünf Jahre lang einzufrieren, das sind zwei Jahre mehr, als er bereits 2010 angeregt hatte. Das Land dürfe nicht „unter einem Berg von Schulden begraben sein“, warnte der Präsident. Auch bei der Verteidigung solle gespart werden. Obama setzte sich außerdem für eine Vereinfachung des Steuersystems mit weniger Erleichterungen für die Reichen und – als Geste an die Wirtschaft – für die erste Senkung der Unternehmenssteuer seit 25 Jahren ein.

Insgesamt rief der Präsident zu neuen Investitionen in Forschung, Informationstechnologie, Bildung und Infrastruktur auf, um die globale Wettbewerbsfähigkeit der weltgrößten Wirtschaftsmacht zu sichern. Unternehmen müssten Anreize gegeben werden, um technologische Durchbrüche zu erreichen. „Das ist der Sputnik-Moment unserer Generation“, sagte Obama mit Blick auf den gleichnamigen Satelliten, den die damalige Sowjetunion 1957 gestartet hatte – der Beginn des Wettrennens der beiden Supermächte im All.

Obama beklagte, dass die USA in Bildungsbereichen und bei größeren Infrastrukturprojekten wie Hochgeschwindigkeitszügen und Internetzugang hinter andere Länder zurückgefallen seien. Stärkere Konkurrenz von aufstrebenden Wirtschaftsnationen wie China und Indien zwängen zu einem „schmerzlichen“ Umbau der US-Wirtschaft. „Wir können nicht einfach stillstehen“, sagte Obama. So warb der Präsident auch eindringlich für mehr Forschung und mehr Anreize zur Förderung erneuerbarer, sauberer Energien. Als Ziel nannte der Präsident, dass 80 Prozent der Elektrizität in Amerika bis 2035 aus sauberen Energiequellen kommen.

Im außenpolitischen Bereich hob Obama die Fortschritte in Afghanistan hervor. Weniger Afghanen seien heute unter der Kontrolle von Aufständischen. Obama sagte zugleich, dass noch harte Kämpfe bevorstünden und die afghanische Führung ihre Regierungsfähigkeit verbessern müsse. Obama bekräftigte, dass die USA im Juli mit ihrem Truppenabzug beginnen würden. Der Präsident kündigte einen weiteren entschlossenen Kampf gegen die Terrororganisation al-Qaida an: „Wir werden nicht nachlassen, wir werden nicht wanken, und wir werden euch besiegen.“ Obama äußerte weiter Unterstützung für die demokratische Bewegung in Tunesien nach der Vertreibung des langjährigen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali.