Die griechische Rechtspartei lehnt den neuen Sparplan ab und greift Kanzlerin Merkel an. Gewalt bei Protesten in der Hauptstadt Athen.

Athen. Nachdem die Regierung sich dem harten Spardiktat ihrer internationalen Geldgeber gebeugt hat, wächst in Griechenland die Wut der Bürger. Zunächst friedliche Demonstrationen am Freitag in Athen schlugen in Gewalt um. Die Polizei ging mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die mit Brandsätzen, Flaschen und Steinen warfen. Die Gewerkschaften hatten zu einem zweitägigen Generalstreik unter der Losung "Leistet Widerstand!" aufgerufen. Die Polizeigewerkschaft drohte in einem Brief an die sogenannte Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), deren Finanzkontrolleure per Haftbefehl suchen zu lassen - wegen Gefährdung der Demokratie. Die griechischen Beamten würden nicht gegen ihre eigenen Brüder vorgehen, so die Polizeigewerkschaft.

Auf Konfrontationskurs gehen in der Schuldenkrise auch die Euro-Länder einerseits und Griechenland andererseits. Die Euro-Finanzminister verweigern vorerst die Zustimmung zu neuen Milliardenhilfen an das hoch verschuldete Land, das kurz vor der Staatspleite steht. Die Euro-Länder fordern von Athen verbindliche Beschlüsse zur Umsetzung der neuen Sparauflagen, andernfalls würden weitere Milliarden nicht ausgezahlt. Auch die deutschen Regierungsparteien mahnten am Freitag, bloße Absichtserklärungen Griechenlands reichten nicht mehr aus.

+++ Wut, Streik und Chaos: Griechenland auf der Straße +++

Angesichts der harten Auflagen der Geldgeber bröckelt zudem der politische Konsens in Athen. Die Rechtsaußen-Regierungspartei Laos erklärte am Freitag, sie könne das Sparpaket, dem sie nach Angaben des Regierungschefs am Tag zuvor noch zugestimmt hatte, nicht mittragen. Ihre vier Minister traten zurück. Damit bleibt eine zentrale Forderung der Troika nach einer parteiübergreifenden Unterstützung für den Sparkurs unerfüllt. Erwartet wird, dass Ministerpräsident Lucas Papademos nun eine Regierung nur aus parteifernen Experten bildet.

Laos-Chef Giorgos Karatzaferis griff Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf an und warf ihr Herrschsucht vor. "Die Europäische Union leidet unter Deutschland." Es zwinge den Südeuropäern seinen Willen auf, "weil es über ein dickes Portemonnaie verfügt", sagte Karatzaferis. Die Schaltzentrale Europas sei das Kanzleramt in Berlin und nicht die EU in Brüssel. Merkel stimme sich eng mit ihren "Satellitenstaaten" Niederlande, Österreich, Finnland ab, "und leider auch Luxemburg", fügte Karatzaferis hinzu. Die Bundeskanzlerin bluffe jedoch nur: "Frau Merkel hat nur ein paar Luschen auf der Hand und gibt vor, vier Asse zu haben", sagte der Rechtspolitiker.

+++Warten auf Athen - Sondertreffen der Eurogruppe +++

Karatzaferis sprach aus, was viele Griechen denken. Die Emotionen kochen hoch, die von außen auferlegten Sparzwänge lösen Wut und Verzweiflung aus. Ungerecht behandelt und erniedrigt fühlen sich viele von den internationalen Finanzkontrolleuren und insbesondere vom großen Geldgeber Deutschland.

Deutsche, die schon seit Langem in Griechenland leben, bemerken zunehmend eine Verschlechterung der Stimmung gegen den "Oberlehrer" Berlin. "Alles wisst ihr besser. Und wenn der andere am Boden liegt, dann könnt ihr gut auf ihn treten", bekam eine Deutsche, die seit 32 Jahren im Land lebt, am Freitag auf dem Wochenmarkt im Athener Stadtteil Kypseli von einem Gemüsehändler zu hören.

Zeitungen nehmen Schlagzeilen der deutschen Presse aufs Korn. In den vergangenen Tagen veröffentlichten sie Beispiele, die "die Griechen" kollektiv und nicht ihre Politiker für das Schuldendebakel verantwortlich machten, und gaben Bemerkungen wieder, die Südländer seien "faul". Junge Leute in einer griechischen Bar kommentierten die ungerechtfertigten Verallgemeinerungen auf beiden Seiten: "In der DNA der Griechen ist die Faulheit nicht enthalten, so wie in der DNA der Deutschen nicht das Nazisein enthalten ist."

Anti-Deutschland-Parolen und Nazi-Vergleiche nehmen zu im Land. Zielscheibe ist speziell die Bundeskanzlerin. Die Boulevardzeitung "Dimokratia" veröffentlichte ein Bild von Angela Merkel in Nazi-Uniform unter der Überschrift "Memorandum (Absichtserklärung für das Sparprogramm) macht frei". Über den Toren von Konzentrationslagern stand der zynische Schriftzug "Arbeit macht frei".

Zuletzt verbrannten Demonstranten vor dem griechischen Parlament sogar eine deutsche Fahne. "Das ist ein gefundenes Fressen für die sensationsgeilen Entsandten aus aller Welt und vor allem aus Deutschland", sagt Dimitris Trimis, der Präsident des griechischen Journalistenverbandes. Dies sei die gefährlichste Entwicklung, warnte er.

Besorgt zeigt sich vor allem die Tourismusbranche. Die Nazi-Vergleiche schreckten deutsche Touristen ab, heißt es. "Für uns sind solche Veröffentlichungen Gift", sagt Aililios Santis, Besitzer einer Pension im Athener Vorort Mati. "Wir erwarten jedes Jahr rund 2,5 Millionen Deutsche. Das sind wichtige Einnahmen, in diesen Zeiten sehr wichtige."

Der Hoteldirektor Christos Pilatakis von der Insel Rhodos spürt bereits Anzeichen, "dass die Buchungen dieses Jahr um etwa 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen". Auf Rhodos und den anderen traditionellen Ferieninseln seien derartige Hetze und Hassparolen unbekannt. "Für uns ist der Tourist der Chef, egal, wo er herkommt", sagte Pilatakis. Da spiele seine Herkunft keine Rolle. "Wir bemühen uns hier um Schadensbegrenzung."