IWF warnt vor zu hartem Sparkurs in Griechenland. Strukturreformen müssten viel schneller umgesetzt werden, rät Delegationsleiter Thomsen.

Athen/Berlin. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt im Zuge der Schuldenkrise vor einem zu harten Sparkurs in Griechenland. „Wir müssen etwas auf die Bremse treten, was die Anpassungen beim Haushalt angeht, und schneller, viel schneller Strukturreformen umsetzen“, sagte der IWF-Delegationsleiter Poul Thomsen der Zeitung „Kathimerini“ vom Mittwoch. Zwar müsse der Staat sein Haushaltsloch verkleinern. Dabei dürfe aber nicht der Rückhalt in der Gesellschaft verloren gehen. „Wir möchten sicherstellen, dass wir eine richtige Balance zwischen Haushaltsanpassungen und Reformen erreichen.“ Zugleich machte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Deutschlandfunk deutlich, dass Griechenland nur mit weiterer Unterstützung rechnen kann, wenn es die vereinbarten Sparauflagen einhält: „Wir können nur Hilfe leisten, wenn es nicht ein Fass ohne Boden wird.“ FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hält einen Staatsbankrott Griechenlands für verkraftbar.

+++Die Getriebenen+++

+++Streit überschattet Sondergipfel in Brüssel+++

Über Griechenlands Zukunft laufen derzeit Gespräche auf zwei Ebenen: Zum einen verhandelt die Regierung in Athen mit ihren öffentlichen Geldgebern von IWF, Europäischer Zentralbank (EZB) und Europäischer Union (EU) über die Bedingungen für ein zweites Hilfspaket im Umfang von voraussichtlich 130 Milliarden Euro. Zum anderen feilt sie mit ihren privaten Gläubigern an den letzten Details eines in Grundzügen bereits vereinbarten Anleihentauschs, mit dem die Schuldenlast um 100 Milliarden Euro verringert werden soll. Erschwert werden die Gespräche durch die offenbar sehr ernüchternde Bilanz der Griechen bei der Umsetzung der bislang zugesagten Reformen.

Der harte Sparkurs würgt dabei immer stärker die griechische Wirtschaft ab: Die Produktion sinkt, Aufträge gehen zurück, immer mehr Arbeitsplätze werden gestrichen. Die griechische Industrie steckt fest in der Rezession: Der Markit-Einkaufsmanagerindex für den Sektor fiel im Januar um einen auf 41,0 Punkte, wie aus Daten vom Mittwoch hervorgeht. Das Barometer bleibt damit wie seit September 2009 unter der Marke von 50 Zähler, ab der es Wachstum signalisiert. Die Industrie drosselte ihre Produktion im Rekordtempo und baute per Saldo den 45. Monat in Folge Arbeitsplätze ab. „Es macht Sinn, den Schwerpunkt auf strukturelle Reformen zu legen und weniger auf den Defizitabbau“, sagte Commerzbank-Analyst Christoph Weil. Dies setze aber voraus, dass Griechenland von seinen privaten oder öffentlichen Gläubigern mehr Unterstützung erhalte. „Und da sehe ich momentan niemanden, der dazu bereit wäre.“

Thomsen: Einigung kann erreicht werden

Trotz der jüngsten Verzögerungen zeigte sich IWF-Delegationsleiter Thomsen überzeugt, dass die Troika in den nächsten Tagen eine Einigung mit Griechenland über ein zweites Hilfsprogramm erreichen könne. Entscheidend dafür sei die Zusage aller griechischen Parteien, auch nach der in diesem Jahr geplanten Wahl an der Einigung festzuhalten. Damit der Privatsektor wettbewerbsfähiger wird, schlug er einen niedrigeren Mindestlohn und ein geringeres Urlaubsgeld vor.

Die seit Monaten andauernden Verhandlungen zwischen den privaten Gläubigern und Griechenland könnten bereits am Mittwoch abgeschlossen werden. Die Banken würden dabei voraussichtlich einen Verlust von mehr als 70 Prozent machen, sagte Finanzminister Evangelos Venizelos am Dienstagabend. Zugleich wurde der Ruf nach einer Beteiligung öffentlicher Gläubiger wie der EZB oder der Förderbank KfW an der Rettung des hochverschuldeten Landes lauter. Banker in Athen und Brüssel sagten, dass die EZB dabei helfen müsse, die Schuldenlast des krisengeschüttelten Euro-Mitgliedslands weiter zu senken.

KfW-Chef Ulrich Schröder zeigte sich wegen der Folgen eines Schuldenschnitts auf die Bilanz seines Instituts: „Das wird uns nicht umhauen.“ Die Frage einer Beteiligung auch der öffentlichen Gläubiger an einer Lösung sei Angelegenheit der Politik. Die staatliche Förderbank hält selbst griechische Anleihen im Nominalvolumen von 250 Millionen Euro. Außerdem ist die KfW am ersten Hilfspaket für Griechenland beteiligt und zwar als Kreditgeberin für die Bundesrepublik Deutschland.

Brüderle: Staatsbankrott Griechenlands beherrschbar

Europa könnte nach Einschätzung von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle einen Staatsbankrott Griechenlands verkraften. „Griechenland hätte nie in die Eurozone aufgenommen werden dürfen. Es wäre zwar bitter, aber ein Staatsbankrott Griechenlands wäre notfalls beherrschbar“, sagte Brüderle der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“. Die helfende Hand der EU bleibe ausgestreckt, die Gemeinschaft müsse jedoch „die Überzeugung gewinnen, dass die Griechen es schaffen“. Athen einen Sparkommissar zu verordnen, hält Brüderle für falsch. „Griechenland ist ein souveräner Staat“, man müsse auf Mentalitäten und Befindlichkeiten Rücksicht nehmen. Der FDP-Politiker schlug erneut eine Art „Treuhand“ für Griechenland vor, wie es sie nach der Wende in Ostdeutschland zur Privatisierung ehemaliger DDR-Betriebe gab.

Mit Material von dpa/rtr