Während die Regierung um eine Lösung der Schuldenkrise ringt, geht die Bevölkerung auf die Straße. Zweitägiger Generalstreik geplant.

Athen/Brüssel. Proteste wütender Griechen gegen den von internationalen Geldgebern geforderten Sparkurs sind am Freitag in Gewalt umgeschlagen. In Athen ging die Polizei mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die mit Brandsätzen, Flaschen und Steinen warfen. Die Polizeigewerkschaft drohte in einem Brief an die Troika aus EU, EZB und IWF, deren Finanzkontrolleure per Haftbefehl suchen zu lassen – unter anderem wegen Gefährdung der Demokratie. Zudem würden die griechischen Beamten nicht gegen ihre eigenen Brüder vorgehen. Mit einem zweitägigen Generalstreik wollen die Gewerkschaften die Bevölkerung zum Widerstand gegen verschärfte Einschnitte mobilisieren.

+++ Wut, Streik und Chaos: Griechenland auf der Straße +++

Am Freitag legten die Streikenden zum zweiten Mal in dieser Woche Metro und Busse lahm, Schiffe blieben im Hafen. Krankenhausärzte und Bankangestellte legten die Arbeit nieder. Später sollten sich die Lehrer dem Ausstand anschließen. „Nein zu Entlassungen! Nein zu Gehaltskürzungen! Nein zu Rentenkürzungen!“, skandierten Redner per Lautsprecher auf dem zentralen Syntagma-Platz in der Hauptstadt Athen. „Leistet Widerstand!“, appellierten sie an die Demonstrierenden vor dem Parlamentsgebäude.

ch dem Ultimatum der Eurogruppe zur Umsetzung der griechischen Sparbeschlüsse steht die Regierung in Athen unter enormem Druck. Bis zum kommenden Mittwoch muss Griechenland die Bedingungen für ein neues Rettungspaket erfüllen, gegen geplante Sparmaßnahmen macht allerdings die Bevölkerung massiv mobil. Die Gewerkschaften begannen am Freitag mit einem zweitägigen Generalstreik, der unter anderem Züge, Fähren und den öffentlichen Nahverkehr lahmlegte und die Krankenhäuser mit nur einer Notbesetzung zurückließ. Großdemonstrationen waren in Athen und anderen Städten geplant. Später sollten sich die Lehrer dem Ausstand anschließen. „Nein zu Entlassungen! Nein zu Gehaltskürzungen! Nein zu Rentenkürzungen!“, skandierten Redner in Lautsprecherdurchsagen auf dem zentralen Syntagma-Platz in der Hauptstadt Athen. „Leistet Widerstand!“, appellierten sie an die Demonstrierenden vor dem Parlamentsgebäude.

Der stellvertretende Ministerpräsident Theodoros Pangalos sprach vor dem Parlament von „tragischen Momenten“ und dem „letzten Akt eines Dramas“, das aber hoffentlich ein glückliches Ende finde. Ein Problem dabei: Der Parteichef der griechischen Rechten hat am Freitag angekündigt, das mit der EU, EZB und IWF vereinbarte Sparpaket im Parlament nicht mitzutragen. Die Eurogruppe hatte jedoch die Zustimmung aller Parteichefs gefordert, wenn die Griechenlandhilfen auf den Weg gebracht werden sollen. EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso zeigte sich am Freitag zuversichtlich, dass es zu einer guten Lösung komme. Dies sei entscheidend für Griechenland und den gesamten Euroraum.

Warten auf Athen - Sondertreffen der Eurogruppe +++

Eine eindeutige Zusage für das zweite Rettungspaket im Volumen von 100 Milliarden Euro, das die Hellenen zusätzlich zum Schuldenerlass des Privatsektors brauchen, gaben die Finanzminister der Eurogruppe am Donnerstag nicht. Eurogruppenchef Jean Claude Juncker sagte lediglich, die Vereinbarung der griechischen Koalition vom Donnerstag, die Sparbedingungen der Troika zu erfüllen, „könnte die Grundlage für ein Nachfolgeprogramm bieten.“ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte zu Beginn der Sitzung erklärt, es müsse „noch weitergearbeitet werden“.

Damit das neue Programm – anders als das erste – auch tatsächlich umgesetzt wird, wird die Aufsicht über die griechischen Behörden verschärft. Dazu gehört auch die Einrichtung eines Sperrkontos, für das sich Kanzlerin Angela Merkel und der französische Staatschef Nicolas Sarkozy stark gemacht haben: „Das wird von der EU-Kommission und der Arbeitsgruppe der Finanzminister ernsthaft erwogen“, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Bis zum Mittwoch werde ein genauer Vorschlag vorgelegt.

Das Land müsse „institutionell in die Lage versetzt werden, seine Schulden zu bedienen“, sagte Juncker. Das heißt nichts anderes, als das Athen über das Geld auf dem Konto nicht länger frei verfügen kann. Den von Deutschland geforderten Sparkommissar mit Vetorecht über den Haushalt wird es zwar nicht geben. Zumindest aus Sicht der Kommission müsse Griechenland Herr über das Programm bleiben, sagte Kommissar Rehn. Aber bei der Aufsicht und Unterstützung der Programmumsetzung sollen die Kommission und der Internationale Währungsfonds.

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Allerdings wird der Druck in der griechischen Bevölkerung immer größer. Die Gewerkschaften hatten für Freitag und Samstag zu einem weiteren Generalstreik aufgerufen. Und auch für Sonntag sind Demonstrationen angekündigt, wenn die Entscheidungen im Parlament anstehen. „Leider haben wir nur die Wahl, Opfer zu bringen oder noch größere Opfer zu bringen“, sagte Venizelos. „Die Zeit von Populismus und Illusionen ist vorbei.“

Griechenland hatte nach tagelangen Verhandlungen am Donnerstag dem von EU und IWF geforderten Spar- und Reformprogramm zugestimmt. Es ist Bedingung für das zweite Kreditpaket für Griechenland, das bisher 130 Milliarden Euro öffentlicher Finanzhilfen vorsieht.

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Drastische Kürzungen von Mindestlohn und Arbeitslosengeld, vorerst keine Gehaltssteigerungen in der Privatwirtschaft und Entlassung von 150.000 Staatsbediensteten, 15.000 davon noch in diesem Jahr - auf die Griechen kommt ein neues hartes Sparprogramm zu. In einem 13-stündigen Verhandlungsmarathon einigte sich Ministerpräsident Lucas Papademos mit den Vorsitzenden der Parteien, die seine Regierung stützen, auf weitere Einschnitte, um die Staatspleite vorerst abzuwenden. Bis zum Jahr 2015 soll der Staat nun 14 Milliarden Euro einsparen, allein dieses Jahr sollen es 3,1 Milliarden Euro sein.

Die Kommunistische Partei ruft bereits zu einem Aufstand gegen die Regierung auf. Andere marxistische und linksgerichtete Parteien wollen sie gleich ganz stürzen. Der politische Staatssekretär im Arbeitsministerium trat aus Protest gegen die harten Kürzungen zurück.

Am Donnerstag veröffentlichte Zahlen belegen das Ausmaß der Not in der Bevölkerung: Demnach kletterte die Arbeitslosenquote im November auf den Rekordwert von 20,9 Prozent. Jeder fünfte Grieche ist arbeitslos - so viele wie noch nie. Besonders schlimm sieht es bei den Jüngeren aus: Fast die Hälfte der 15- bis 24-Jährigen hat keinen Job. Das sind mehr als doppelt so viele wie 2008 vor der Zuspitzung der griechischen Schuldenkrise und dem Niedergang der Wirtschaft. Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit im Land etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Euro-Länder. Düster sieht es auch für die Konjunkturentwicklung aus. Die griechische Industrieproduktion fiel im Dezember um 11,3 Prozent. Damit beschleunigte sich der Rückgang deutlich.

Mit der grundsätzlichen Einigung auf das Sparpaket nach einem tagelangen Poker und mehrfach angekündigten "entscheidenden" Sitzungen, die dann doch nicht stattfanden, nahm die Regierung eine wichtige Hürde für weitere Finanzhilfen über 130 Milliarden Euro von Europäischer Union und IWF. Offiziell bestätigen konnte das Büro des Regierungschefs in Athen die Einigung allerdings erst eine Stunde nachdem EZB-Präsident Mario Draghi sie in Frankfurt verkündet hatte.

Mit Material von rtr und dapd