Nach Ansicht von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt stehen die Grünen in wichtigen Fragen der Wirtschaft deutlich näher als große Teile der SPD.

Hamburg. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat keine grundsätzlichen Vorbehalte gegen eine schwarz-grüne Bundesregierung. „Schwarz-Grün ist kein Schreckgespenst“, sagte Hundt dem "Hamburger Abendblatt" (Sonnabend-Ausgabe). „Wir hatten auch schon Rot-Grün. Die verantwortlichen Grünen waren der deutschen Wirtschaft in Fragen des Arbeitsmarkts, der Sozialpolitik und der Steuerpolitik deutlich näher als große Teile der SPD.“

+++ DAS ABENDBLATT-INTERVIEW MIT DIETER HUNDT IM WORTLAUT +++

Wirtschaft und Grüne trenne vor allem die Energiepolitik, fügte Hundt hinzu. Auf diesem Feld seien die Gegensätze „derzeit anscheinend nicht überbrückbar“. Zugleich kritisierte der Präsident das Erscheinungsbild der schwarz-gelben Regierung: „Was mich stört, sind die kontroversen Diskussionen. Union und FDP erwecken im Ausland den Eindruck, als habe Deutschland eine hoffnungslos zerstrittene Regierung.“

Von einem Fehlstart der Bundesregierung wollte Hundt allerdings nicht sprechen. „Union und FDP haben einen Koalitionsvertrag verabschiedet, der Wegweisendes enthält“, lobte Hundt. „Erste Entscheidungen der Koalition waren richtig. Dazu gehören etwa die Korrektur der Reform der Unternehmenssteuer, Änderungen bei der Erbschaftssteuer und die Verhinderung gesetzlicher Mindestlöhne.“ Die Regierung habe „wertvolle Beiträge zur Überwindung der Wirtschaftskrise geleistet“.

Ferner appellierte Hundt eindringlich an die Bundesregierung, langfristig an der Atomenergie festzuhalten. „Einen Ausstieg aus der Kernkraft halte ich weder ökonomisch noch ökologisch für vertretbar“, sagte der Verbandschef. "Es wäre eine unvertretbare volkswirtschaftliche Verschwendung, wenn wir Kernkraftwerke, die sicher sind, aus ideologischen Gründen stilllegen würden.“

Hundt griff Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) an, der das Ziel formuliert hatte, die Atomkraft bis 2030 durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Für diesen Vorstoß „habe ich wenig Verständnis“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA). „Ich sehe es als unverzichtbar an, in Deutschland an der Kernkraft festzuhalten.“ Bereits das Ziel, bis 2020 annähernd 20 Prozent des deutschen Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken, „würde enormes Geld kosten“, warnte er.

Der Präsident wies darauf hin, dass die Atomenergie „weltweit zunehmend wieder akzeptiert und sogar ausgebaut“ werde. US-Präsident Barack Obama treibe den Bau neuer Reaktoren voran. Auf die Frage, ob auch in Deutschland neue Reaktoren benötigt würden, sagte Hundt: „Das fordert derzeit niemand, weder die Politik noch die Energieversorgungsunternehmen.“ In der Koalitionsvereinbarung von Union und FDP würden neue Atomkraftwerke ausdrücklich ausgeschlossen.

Mit Blick auf die Endlagerung von hoch radioaktivem Abfall verwies Hundt auf den niedersächsischen Salzstock Gorleben, der bereits untersucht worden sei. „Ich begrüße es, die Erkundung fortzusetzen“, sagte er.

In dem Gespräch mit dem "Hamburger Abendblatt" forderte Hundt die Politik zu größeren Anstrengungen auf, um Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. „Wir dürfen nicht den Fehler begehen, einen Teil der Langzeitarbeitslosen aufzugeben. Wir müssen versuchen, jedes Potenzial für den Arbeitsmarkt zu nutzen“, sagte der Verbandschef. „Deshalb müssen die Anreizstrukturen korrigiert werden.“

Derzeit werde begünstigt, wer neben Hartz IV nur einen Minijob ausübe, kritisierte der Präsident. „Künftig sollte sich durch eine Änderung der Anrechnungsvorschriften derjenige besserstellen, der einen Vollzeitjob annimmt.“ Er halte eine Diskussion über Hartz IV für überfällig, betonte Hundt. Das Vokabular, das FDP-Chef Guido Westerwelle verwendet habe, „mag zum Teil nicht glücklich gewesen sein, aber in der Sache hat er recht“.

Mit Blick auf die angeschlagenen Staatsfinanzen forderte Hundt die Bundesregierung auf, der Haushaltskonsolidierung den Vorrang vor weiteren Steuersenkungen einzuräumen. Es sei richtig gewesen, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit Entlastungen für Bürger und Unternehmen auf den Weg zu bringen. „Darüber hinaus ist es richtig, die kalte Steuerprogression abzumildern. Priorität muss allerdings die Konsolidierung der Haushalte haben“, sagte Hundt.

Zugleich kritisierte Hundt die beschlossene Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers: „Das Bemühen um ein einfacheres und gerechteres Steuersystem hat meine ausdrückliche Unterstützung. Ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen ist hierzu tatsächlich kein wesentlicher Beitrag.“