Verlagerung sei die beste von drei nicht optimalen Varianten. Die aufwendige Rückhol-Aktion dürfte aber Milliarden kosten. Als neuer Standort wird der Schacht Konrad bei Salzgitter favorisiert.

Hannover/Wolfenbüttel. Mit der Asse hat Deutschland 1965 das erste Tiefenendlager für Atommüll weltweit geschaffen. Um jetzt wiederum Geschichte zu schreiben: Die kompletten 126 000 Fässer mit schwach- und mittelaktivem Atommüll werden zurückgeholt, weil bei allen anderen Lösungen die atomrechtlich vorgeschriebene Langzeitsicherheit nicht nachgewiesen werden kann. Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), hat die gigantische und absehbar milliardenteure Aktion mit dem neuen Bundesumweltminister Norbert Röttgen abgesprochen und am Freitag in Hannover vorgestellt.

Dabei machte der BfS-Präsident in Hannover aber auch klar, dass mit dieser Grundsatzentscheidung die Zeitbombe Asse noch nicht entschärft ist. Das alte Salzbergwerk ist einsturzgefährdet, auch das Bundesamt kann zudem nicht ausschließen, dass die gefährlichen Laugenzuflüsse unbeherrschbar zunehmen, die Grube absäuft. Das wäre dann der Endlagerungs-Gau, weil über die Flüssigkeit Radioaktivität binnen weniger Jahrhunderte in die Biosphäre gelangen könnte. "Wir brauchen Zeit", sagte König zur Ausgangslage, die auch den ehrgeizigen Zeitplan von nur zehn Jahren diktiert. "Wir erkaufen uns Zeit", ergänzte er dann unter Hinweis auf neue Maßnahmen, um das Grubengebäude wenigstens für einige Jahre zu stabilisieren: "Es steht nur ein eng begrenztes Zeitfenster zur Verfügung".

Weil niemand weiß, was aus dem Laugenzufluss wird, werden außerdem weitere "Notfallmaßnahmen" vorangetrieben. Und noch eine Einschränkung machte der BfS-Präsident: Rückholung geht nur, wenn die Strahlenbelastung der Bergleute im Rahmen der Grenzwerte bleibt und die Zeitschiene von zehn Jahren sich realisieren lässt. Sonst werden die beiden anderen Optionen, Verfüllung der Bergwerks oder Neulagerung des Mülls in größeren Tiefen, wieder ins Spiel kommen - trotz Mängeln bei der Langzeitsicherheit. Der BfS-Präsident spielte weder die Gefahrenlage noch das Dilemma des Bundesamtes herunter: "Keine der drei Varianten ist optimal, das wissen wir."

Geht aber alles nach Plan, werden bereits in den nächsten Wochen die ersten Lagerkammern geöffnet, um zu prüfen, wie zerrostet die in den Jahren 1967 bis 1978 eingelagerten Fässer sind. Mindestens 75 Prozent der Bergungsarbeiten unter Tage sollen durch ferngesteuerte Maschinen erfolgen, weil die Strahlenbelastung eines der zentralen Probleme der Rückholung ist. Über dem Bergwerk wird dann ein Zwischenlager errichtet, um den Müll neu zu verpacken.

König glaubt, dass der Atomabfall in das neue Endlager Schacht Konrad im benachbarten Salzgitter gebracht werden kann. Die Umweltorganisation BUND aber zweifelte daran, dass die Genehmigung das überhaupt zulässt: "Hier wäre ein völlig neues Planfeststellungsverfahren nötig". König wies auf ein anderes Problem hin. In der Asse sind auch giftige Chemieabfälle eingelagert worden. Das könnte Probleme bei Bergung und erneuter Lagerung bereiten. In Niedersachsen begrüßten alle Parteien die Weichenstellung für die Rückholung. Der frühere Bundesumweltminister und örtliche Wolfenbütteler Bundestagsabgeordnete, SPD-Chef Sigmar Gabriel, drängte, die Atomwirtschaft an den milliardenschweren Kosten zu beteiligen. Das Bundesumweltministerium bestätigte in diesem Zusammenhang erste Gespräche von Norbert Röttgen mit der Energiewirtschaft über längere Laufzeiten für Atommeiler. Dabei geht es auch um Zahlungen der Konzerne an den Staat.

Das BfS will nun schnell in Einzelschritten die nächsten Genehmigungen für notwendige Arbeiten beantragen. Entscheiden muss darüber das niedersächsische Umweltministerium als Aufsichtsbehörde. Aber das letzte Wort liegt bei Bundesumweltminister Röttgen: Das Land leistet die Atomaufsicht im Auftrag des Bundes, der ist nach Atomgesetz jederzeit weisungsbefugt.