Die Regierung berät über einen Vorschlag, das Mandat der 99 Abgeordneten und elf Senatoren um zwei Jahre zu verlängern.

Port-au-Prince. In Haiti wächst die Kritik an der zögerlichen Reaktion der Regierung auf das verheerende Erdbeben vor drei Wochen. Oppositionelle Senatoren fordern die Einsetzung einer Notstandsregierung. Es müsse dringend ein Wiederaufbauplan verabschiedet werden, betonten sie in ihrer ersten Sitzung mit Premierminister Jean Max Bellerive seit der Katastrophe.

Bislang habe sich die Regierung als unfähig erwiesen, kritisierten sie nach einem Bericht des Senders Metropole. Bellerive räumte ein, dass sämtliche Nothilfe von den ausländischen Hilfsorganisationen gewährleistet werde. Er appellierte an die Organisationen, ihre Hilfe besser untereinander abzustimmen.

Wegen Seuchengefahr starteten Hilfsorganisationen am Mittwoch eine Massenimpfung in der Erdbebenregion. Etwa 700000 Menschen in etwa 500 provisorischen Lagern sollen gegen Masern, Tetanus und Diphtherie geimpft werden, darunter auch 140000 Kinder.

Die Verteilung von Lebensmitteln läuft nach Informationen aus dem Krisengebiet besser. Nur gelegentlich komme es aus logistischen Gründen zu Verzögerungen, sagte eine Mitarbeiterin der Welthungerhilfe in Port-au-Prince. Unter anderem wird sich das Rote Kreuz mit über 30 Helferteams an der Impfaktion der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beteiligen.

Nach Angaben des Roten Kreuzes sind Kinder wegen der unzureichenden hygienischen Verhältnisse in den Lagern ohne fließend Wasser, Abwasserkanalisation und Müllentsorgung besonders gefährdet. Das Technische Hilfswerk (THW) hilft mit vier mobilen Anlagen in der Hauptstadt Port-au-Prince und in Léogâne, die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser für mehrere Monate sichert zu stellen.

Die USA wollen nach Angaben ihres Botschafters in Haiti die Zahl ihrer Soldaten im Land demnächst auf 6000 aufstocken. Sie sollen in erster Linie helfen, die Verteilung der Hilfsgüter zu sichern, sagte Kenneth Merten dem Radiosender Metropole. Das US-Militär beteilige sich außerdem am Wiederaufbau der Infrastruktur und kontrolliere den Flughafen von Port-au-Prince.

Unterdessen weigerten sich Eltern an mehreren Orten, ihre Kinder in die wieder eröffneten Schulen zu schicken. Sie fordern eine Begutachtung der Gebäude durch Experten. Beschädigte Gebäude könnten bei einem Nachbeben leicht einstürzen. Die Regierung hatte die Wiederaufnahme des Schulunterrichts in acht Départements angeordnet, die von dem Beben verschont geblieben waren.

Das Bildungsministerium geht davon aus, dass 75 Prozent der Schulen beschädigt wurden. Die für Ende Februar geplanten Parlamentswahlen in Haiti wurden inzwischen offiziell verschoben. Ein neues Datum stehe noch nicht fest, hatte die Wahlkommission am Dienstag in Port-au-Prince mitgeteilt.

Die Gebäude der Wahlkommission waren ebenso wie zahlreiche Regierungsgebäude bei dem Erdbeben vor drei Wochen stark beschädigt worden. Die Regierung berät über einen Vorschlag, das Mandat der 99 Abgeordneten und elf Senatoren um zwei Jahre zu verlängern. Präsident René Préval und sein Kabinett tagen derzeit in einem Polizeigebäude beim Flughafen.