Der General aus dem Bosnien-Krieg wurde nach zehn Jahren Flucht entdeckt. Ratko Mladic kommt vor das Kriegsverbrecher-Tribunal.

Belgrad/Brüssel. Einer der vermutlich schlimmsten europäischen Kriegsverbrecher der vergangenen Jahre ist gefasst worden: Der serbische Präsident Boris Tadic hat bestätigt, dass es sich bei dem am Donnerstag festgenommenen Verdächtigen um Ratko Mladic handelt. Der Militärführer der bosnischen Serben im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina von 1992 bis 1995 soll sich wegen Völkermords vor dem Internationalen Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag verantworten. Tadic sagte: „Im Namen der Republik Serbien teile ich mit, dass Ratko Mladic verhaftet wurde." Und: Mladic soll so schnell wie möglich an Den Haag überstellt werden.

Der seit mehr als zehn Jahren gesuchte General Mladic ist angeblich im Norden des Landes dingfest gemacht worden. Der Geheimdienst habe Mladic in dem Dorf Lazarevo bei Zrenjanin festgenommen, hieß es. Er sei nach einem anonymen Hinweis gefasst worden. Die Ergreifung von Mladic gilt als Voraussetzung für einen Beitritt Serbiens zur Europäischen Union. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, sollte sich die Festnahme bestätigen, zeige dies, dass es Serbien mit der EU-Mitgliedschaft ernst sei. Mladics ehemaliger Vorgesetzter, Serbenführer Radovan Karadzic, wurde bereits 2008 gefasst und steht seitdem vor dem Uno-Tribunal in Den Haag.

Mladic wurde am 12. März 1942 in dem Dorf Bozanovici nahe Kalinovik im Süden der damaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien geboren. Sein Vater war ein Widerstandskämpfer, der 1945 von kroatischen Nationalisten der Ustascha getötet wurde. Ursprünglich wollte Mladic Lehrer werden, zog aber nach Belgrad und schloss als einer der drei Besten seines Jahrgangs die Militärakademie ab. Seine militärische Laufbahn begann Mladic 1965. Es dauerte 20 Jahre, bis er Brigadegeneral wurde, wofür Kameraden seine arrogante, undisziplinierte Art verantwortlich machten. Die meiste Zeit war er in Mazedonien stationiert, mit kurzen Aufenthalten in Kroatien und im Kosovo.

Am 15. Mai 1992 machte Radovan Karadzic, Chef der von Bosnien-Herzegowina abgespaltenen Bosnisch-Serbischen Republik, Mladic zum Kommandeur seiner Armee. Diese Position hatte er bis Dezember 1996 inne. Im Juli 1995 überrannten Mladics Streitkräfte die bosnische Stadt Srebrenica, die zum damaligen Zeitpunkt eine moslemische Enklave war und von Uno-Truppen geschützt wurde. Männer und Jungen wurden weggeführt, in Scheunen und Schulen zusammengepfercht und schließlich in aller Öffentlichkeit exekutiert. Mladics Einheiten beschossen zudem eine größere Gruppe von Moslems, die durch ein Waldgebiet zu entkommen versuchte. Innerhalb von sieben Tagen starben etwa 8000 Männer und Jungen, was Mladic die Bezeichnung „Schlächter von Bosnien“ einbrachte.

Ende 1995 erhob das Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag unter anderem wegen Srebrenica Anklage wegen Völkermordes gegen Mladic. Derselbe Vorwurf wird Mladic für fast zweijährige Belagerung von Sarajevo gemacht. Er soll Scharfschützen angewiesen haben, aus dem Hinterhalt auf Zivilisten zu schießen. Noch Jahre nach dem Krieg lebte Mladic unauffällig in Belgrad. Er tauchte 2002 unter, als Machthaber Slobodan Milosevic gestürzt worden war und ihn nicht mehr schützen konnte. Der Nato zufolge besuchte er 2004 einen alten Bunker in Bosnien, um unter den Augen der bosnischen Polizei mit ehemaligen Kameraden zu feiern. (dpa/rtr/dapd)