Nach dem Rücktritt der Kultursenatorin ist offen, wer sich die hinterlassenen Probleme antut - kompetente Kandidaten sind nicht in Sicht.

Hamburg. Denkt man darüber nach, wer nach Karin von Welck Kultursenator /in in Hamburg werden könnte, fallen einem selbst mit viel Wohlwollen nicht viele Namen ein. Ob man Bürgerschaft oder Kulturausschuss in Hamburg betrachtet, die Parlamente in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Berlin - nirgendwo ist jemand zu sehen, der sich im Bereich Kulturpolitik auch nur ansatzweise so profiliert hätte, dass man ihm (oder ihr) das Senatorenamt zutrauen würde. Einzige Ausnahme: der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz. Aber der ist bei der SPD.

Ist die Politik insgesamt für kluge, leidenschaftliche, engagierte Menschen uninteressant geworden, wie ein deutlicher Mangel an politischem Führungspersonal nahelegt? Oder ist es die Kulturpolitik im Besonderen, die mit Mini-Etats keinen Gestaltungsspielraum zulässt, in der man aber stattdessen mit unermüdlichem, oft auch nächtlichem Einsatz mit einem nicht immer pflegeleichten Personal zu tun hat?

In den 40 Jahren SPD-Regentschaft in Hamburg hieß es stets, dass die CDU über die besseren Kulturpolitiker verfügen würde. Da waren Ascan Klee Gobert, Klaus Lattmann, Rolf Mares oder Martin Willich. Und bei der FDP gab es so erfolgreiche Senatoren wie Hans-Harder Biermann-Ratjen, Dieter Biallas, Helga Schuchardt oder Ingo von Münch.

Wen aber heute nehmen? Man ist genügsam geworden, und blickt doch nur frustriert auf ein weites, leer gefegtes Feld. Zumal es bisher nicht einmal ganz klar ist, wie lange man das Amt an der Spitze der Hamburger Kulturbehörde überhaupt behalten dürfte. Bis zur regulären nächsten Wahl im Frühjahr 2012? Oder nur für einige Übergangsmonate, falls vorgezogene Neuwahlen kommen? Wer aber möchte unter solchen Voraussetzungen seinen sicheren Job aufgeben, um auf diesem Hamburger Schleudersitz Platz zu nehmen? Auf Morgengaben zum Amtsantritt darf niemand hoffen. Es wird keine Geschenke geben und keine Schonfrist. Dafür aber drängende Probleme und heikle Altlasten.

+++ Die Rücktrittserklärung von Kultursenatorin Karin von Welck +++

Schon einmal war das Kultursenatorenamt in Hamburg lange verwaist, bevor Ole von Beust Dana Horáková fand, die Vorgängerin von Karin von Welck. Damals kursierten Namen wie Nike Wagner, Vicky Leandros oder Lilo Wanders. Nicht ganz ernst zu nehmen waren manche davon, doch sie zeigten auch, wie dünn die Personaldecke in diesem (nur in diesem?) Bereich ist. München suchte 2007 per Stellenanzeige einen Kulturreferenten und fand Hans-Georg Küppers, der ähnlich wie seine Vorgänger Lydia Hartl und Julian Nieda-Rümelin nicht immer glücklich agiert. Fantasievolle, engagierte Kulturpolitiker sind in Deutschland rar. Der Blick über die Stadtgrenzen ist für CDU-Headhunter also nur bedingt hilfreich. Selbst der sonst so vielseitig berufbare Christoph Stölzl, Ex-Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Berlin, ist frisch vergeben, er hat gerade die Leitung der Weimarer Musikhochschule übernommen.

Wen also würde man sich wünschen, fern aller Fraktionszwänge, aller Verpflichtungen gegenüber Parteifreunden, die man mit Ämtern versorgen will?

Jemand wie Dieter Kosslick, Chef der Berliner Filmfestspiele, der zupackend ist und immer da für seine Klientel. Jemand wie den Regisseur und Intendanten Jürgen Flimm, der mit so ziemlich jedem verhandeln kann - es sei denn, er ist aus Salzburg. Ehemalige kluge Intendanten, wie Ulrich Khuon oder Frank Baumbauer, die umsichtig agieren und wissen, was Qualität ist. Spekulieren wir dennoch einmal, man wird ja noch hoffen dürfen. Dann denkt man ganz schnell an Hortensia Völckers, die langjährige Leiterin der Kulturstiftung des Bundes. Parteilos zwar, doch stets in gutem Einverständnis mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Völckers, in Argentinien geboren, bringt nicht nur Internationalität mit (sie hat in New York und Wien gelebt), sie hat auch Erfahrungen in verschiedenen Kunstsparten vorzuweisen: Tanz, bildende Kunst, Musik und Theater. Möglicherweise ist sie damit für den Kultursenatoren-Posten an der Elbe bereits überqualifiziert.

Angenommen, die Bürgerschaft wählt ihre jeweiligen Fachsprecher nicht nur danach aus, dass niemand anderes dieses Thema haben wollte. Dann würde die Arithmetik der Macht für Notfälle wie diesen auf die CDU-Kultursprecherin Brigitta Martens verweisen. Ging es streng hierarchisch zu, könnte es sein, dass der bisherige zweite Mann in der Kulturbehörde nach oben gefallen wird: Staatsrat Nikolas Hill wäre dann Interims-Senator, vielleicht aber auch nur eine Art Abteilungsleiter de luxe, während die formale Verantwortung auf Bürgermeister-Ebene angedockt wird. Der "Vorteil" dieser Lösung, die an die Praxis in Berlin erinnert: Eine Behörde weniger, ein verschlankter Regierungsapparat also. Das spart angeblich Geld und bringt deswegen angeblich Punkte beim Bürger.

Man könnte außerdem argumentieren, dass die Kultur durch diesen Kompetenz-Umzug ins Rathaus gestärkt würde. In Kombination mit so kulturaffinen Politikerinnen wie der jetzigen Zweiten Bürgermeisterin Christa Goetsch wäre das so. Bei anderen Amtsinhabern kann das jedoch ganz schnell ganz anders aussehen. Dann würde Kulturpolitik womöglich weder gestaltet noch verwaltet, sondern höchstens abgearbeitet. Dann gäbe es niemanden, der sich gegen drohende Kürzungen stark macht. Visionen? Blanker Luxus.

Alles in allem: keine schönen Aussichten für Hamburgs Kultur, die sowohl sparen wie glänzen soll.