Mit der Volksabstimmung zur Primarschule und den Gerüchten um einen Rücktritt von Ole von Beust steht das Bündnis von CDU und GAL auf der Kippe

Vielleicht hätten Ole von Beust und Christa Goetsch damals eine Fachfrau fragen sollen, ob Schwarz und Grün wirklich zusammenpassen. Eine Expertin hatte 2008 zur äußersten Vorsicht geraten und davor gewarnt, dass das Ergebnis eines Zusammengehens stark getrübt, ja schmutzig ausfallen könnte. Die Expertin war die Hamburger Malermeisterin Silke Bahr. Ihre Farbenlehre: Die Töne RAL 9005 (Schwarz) und RAL 6018 (das Bündnis-90-Grün) lassen sich nur sehr ungleich mischen. Als Farbkombination schimmerte Schwarz-Grün noch exotischer. Nur Hannover 96, der notorisch erfolglose Bundesligaklub, hatte bis dato den Mut zum schwarz-grünen Logo.

Doch Geschmacksfragen standen nach der Bürgerschaftswahl am 24. Februar 2008 nicht im Mittelpunkt. Bürgermeister von Beust hatte mit 42,6 Prozent die absolute Mehrheit der Mandate verloren und nur noch zwei Machtoptionen. Eine ungeliebte große Koalition - oder eben ein Novum auf Landesebene: Schwarz-Grün. Rasch paarte sich der Wille zur Macht mit der Lust auf neue Farbenspiele, ermuntert durch die Parteispitzen im Bund.

Wer, wenn nicht ihr?, raunten die Berliner. Schließlich hatte Ole von Beust schon Jahre zuvor schwarz-grüne Gedankenspiele angestellt und stand in seiner Partei für die moderne und liberale Großstadtunion. GAL-Spitzenfrau Christa Goetsch wiederum, die bürgerliche Grüne aus Ottensen, galt als Pragmatikerin ohne Berührungsängste.

Wo, wenn nicht hier? In Hamburg bekam weder ein Christdemokrat noch ein GALier beim Anblick des politischen Gegners hektische Flecken. An der Alster waren die Parteiflügel längst lahm, abgestorben oder abgefallen. Wer in der Union konservativ kämpfte, den hatte Ole von Beust wegregiert, wer in der GAL fundamentalistisch tickte, hatte sich längst zu anderen Ufern davongemacht.

Also wann, wenn nicht jetzt?, dachten die Parteistrategen im Frühjahr 2008, knapp eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl. Schließlich hatte sich durch die Linkspartei in der Republik ein Fünfparteiensystem verfestigt, das neue Koalitionen so nötig wie möglich machte. Die CDU wollte ihre Optionen weiten und die FDP disziplinieren, die Grünen benötigten die Union, um sich aus der babylonischen Gefangenschaft einer trudelnden SPD zu befreien. Geradezu euphorisch feierte die Presse die neue Liaison an der Elbe - das Zusammengehen galt als "historisch", als "Modell", als "Glücksfall", die "Bild" rief gar "König Ole" aus. Kurzum: Die Erwartungen waren so hoch, dass Schwarze wie Grüne sie nur enttäuschen konnten.

Eine neue Politik haben die beiden Partner seit Mai 2008 nicht erfunden, wohl aber ein sympathisches Tagesgeschäft, das sich vom schwarz-gelben Dauergezänk in Berlin wohltuend unterscheidet. Weil Hamburger Christdemokraten und Grüne um ihre Unterschiede wissen, nehmen sie mehr Rücksicht und sind kompromissbereiter. So gelang es der ungleichen Koalition, über ideologische Gräben Brücken zu schlagen - oft aber, wie im Fall des Kohlekraftwerks Moorburg oder der Schulreform, einigten sie sich auf tollkühne Gebilde, die ihre Statik aus dem Kompromiss, nicht der Vernunft gewannen.

Der schwarz-grüne Schulkompromiss dürfte nun die gesamte Architektur des Bündnisses erschüttern. Setzen sich die Gegner der Primarschule, getragen vom klassischen CDU-Bürgertum, am Sonntag durch, wird das Regieren für Schwarz-Grün schwerer. Zusätzlich verkompliziert die Amtsmüdigkeit des Bürgermeisters die Zukunft des Bündnisses. Sollte der eher konservative Christoph Ahlhaus dem Liberalen von Beust folgen, dürften die Zentrifugalkräfte zunehmen - und viele Grüne sich in die Arme der SPD zurücksehnen.

Die Parteispitzen in Berlin würden ein Scheitern in Hamburg zwar bedauern, verhindern können sie es nicht. Ohnehin hat das Bündnis an strategischer Wichtigkeit eingebüßt. Zum einen gibt es im Saarland eine weitere Koalition von CDU und Grünen (mit der FDP), zum anderen drosseln die Hamburger Umfragewerte die Begeisterung für die neue Option. Hier hat die Union dramatisch verloren, die GAL stagniert.

Doch es wäre verfrüht, Schwarz-Grün als überholte Mode abzuschreiben. Denn was lehrt die Farbmetaphorik? Schwarz steht für Macht, Grün für die Hoffnung. Macht beharrt, und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.