An den Polizeiwachen Harburg, Wilhelmsburg und Neugraben wurden 65 Stellen gestrichen. Politik und Gewerkschaften reagieren wütend.

Hamburg. Jugendliche, die einen Passanten am Bahnhof Harburg totschlagen . Ein 22-Jähriger, der nach einer Abi-Fete erstochen wird. Polizisten, die bei einem Einsatz in Neuwiedenthal angegriffen und schwer verletzt werden. Die von einer Welle der Gewalt erfassten Stadtteile südlich der Elbe kommen derzeit nicht mehr aus den Schlagzeilen heraus. Doch für die jüngste Negativmeldung sorgte nun die Polizei selbst: In den vergangenen fünf Jahren wurden in den heute nur noch drei Polizeikommissariaten (PK) in Wilhelmsburg, Harburg und Neugraben 65 Polizeistellen abgebaut. Das entspricht mehr als 15 Prozent der derzeit noch südlich der Elbe eingesetzten Beamten.

Diese Zahl geht aus der Antwort auf eine Senatsanfrage des SPD-Innenexperten Andreas Dressel hervor, die jetzt veröffentlicht wurde. Angesichts der jüngsten Fälle wirkt sie wie der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Nicht zuletzt, seit aufgebrachte Harburger und andere Südhamburger mit Sitzblockaden, Lichterketten und Mahnwachen gegen die Gewaltentwicklung protestieren.

"Jetzt ist Schluss. Wir hier in Harburg werden keine weiteren Einsparmaßnahmen bei der inneren Sicherheit hinnehmen und uns entsprechend bei den anstehenden Haushaltsdebatten beim Senat einbringen", sagte Harburgs CDU-Kreischef Ralf-Dieter Fischer empört nach Bekanntwerden der Personalentwicklung. Er reagiert damit ebenfalls auf die Gerüchte, die Innenbehörde wolle die Stellen von 60 bürgernahen Beamten abbauen - auch in Harburg. Das ruft Harburgs Bezirkschef Torsten Meinberg, CDU, auf den Plan. "Ich erwarte vom Innensenator, dass er Wort hält und den Rotstift beim Fußstreifendienst nicht ansetzt."

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Bereits 2008 waren die beiden Harburger Polizeikommissariate 45 und 46 zusammengelegt worden. Dadurch verlor Harburgs Polizei 35 Stellen. Auch die Wache 47 in Neugraben muss im Zuge der Sparvorgaben mit 15 Stellen weniger auskommen, ebenso wie das PK 44 in Wilhelmsburg. Dazu kommt, dass für die Autobrandstifter-Ermittlungsgruppe "Florian" auch Polizeibeamte aus dem Hamburger Süden abgezogen wurden. Und: Als die Dienstgruppe Präsenz der Polizei hamburgweit aufgelöst wurde, zog die Innenbehörde sechs Beamte aus Harburg ab. "Die sollen an andere Wachen ausgeliehen werden und später wieder zurückkehren", sagte Innensenator Christoph Ahlhaus vor einem Jahr. Die Harburger warten immer noch.

"Man merkt es schon in Neugraben und Harburg, dass weniger Polizisten unterwegs sind", sagt Thomas Völsch, Bürgerschaftsabgeordneter der SPD Süderelbe und schüttelt den Kopf. "Klar, dass viele Bürger Angst haben." Auch Jürgen Heimath, SPD-Vorsitzender in der Bezirksversammlung, hält die Stelleneinsparungen für falsch. Das sei ein Skandal. Wir sähen ja jetzt, dass es zu mehr Gewalttaten im Süden kommt. Die Zusammenlegung der Kommissariate sei "ein großer Fehler" gewesen. "Bei der Innenbehörde zählen nur betriebswirtschaftliche Faktoren. Dass die Polizisten wichtige präventive Arbeit leisten und damit Kriminalität verhindern, ist Senator Ahlhaus offenbar völlig egal."

Gerade die Präsenzgruppen hätten in den südlichen Stadtteilen unersetzbare präventive Arbeit geleistet, gibt Andreas Dressel, der Initiator der Anfrage, zu bedenken. Die Beamten der DGP hätten die Vorgänge und zumeist jugendlichen Täter im Harburger Bereich im Blick gehabt. "Die Sicherheit hat durch den Stellenabbau gelitten", sagte der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete. Die Personalstreichungen zeigten eine falsche Prioritätensetzung auf. "Die Vorkommnisse im Süden haben doch das Gegenteil nahegelegt."

Kritik kommt auch von der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Seit der Zusammenlegung der Kommissariate 45 und 46 zum heutigen PK Harburg haben wir erheblich weniger Polizisten auf der Straße", sagt der Hamburger Gewerkschaftsvize Freddi Lohse. Nicht zuletzt sei den Harburgern ein sechster Peterwagen versprochen worden. Der sei zwar auch gekommen, könne aber in der Regel nicht besetzt werden, weil nicht genügend Polizisten an der Wache seien. "Allerdings", sagt der Personalratsvorsitzende Lohse auch, sei die Situation an den Wachen Harburg, Wilhelmsburg oder Neugraben nicht schlechter als in den anderen PK: Stadtweit sind seit 2005 insgesamt 256 Vollzugsbeamte weniger tätig.

Doch nicht alle sehen die Situation im Süden so verbissen. In der CDU-Bürgerschaftsfraktion geht man das Thema eher locker an: "Die personelle Ausstattung ist so gut wie seit zehn Jahren nicht mehr", sagen die beiden Abgeordneten Wolfgang Müller-Kallweit und André Trepoll. "Von einer kritischen Situation kann keine Rede sein."