Mateusz W. bestreitet Vorwürfe. Polizei richtet Gefahrengebiet ein

"Ich bin kein Unschuldslamm, aber ich bin auch kein Exhibitionist." Mateusz W. ist immer noch aufgebracht darüber, wie er am Rehrstieg in Neugraben von der Polizei behandelt worden ist. Seine Festnahme, die sich über Minuten hinzog und zum Teil auf einem Video festgehalten worden ist, war der Beginn des Gewaltausbruchs, bei dem am Sonnabend fünf Polizisten verletzt worden sind, einer davon so schwer, dass er vielleicht sein Augenlicht verlieren wird.

"Ich hatte ein WM-Spiel gesehen, war betrunken und wollte nur in die Hecke pinkeln", sagt der 27-Jährige. In der Tat ergab die Blutprobe auf der Wache bei dem Deutschpolen 1,8 Promille. "Der Beamte rief, ich solle mit dem Urinieren aufhören, das kostet sonst 25 Euro Strafe. Dann bekam ich Pfefferspray ins Gesicht, meine Augen brannten. Ich ging zu Boden, und dann schlug der Polizist sechsmal mit dem Stock auf mich ein." Mateusz W. fragt sich, warum man ihm nicht einfach Handschellen angelegt und dann im Peterwagen weggefahren habe. Stattdessen habe er Schläge auf den Rücken, die Beine und den Ellenbogen bekommen und sei schließlich im Polizeiwagen "noch zweimal mit dem Stock und zweimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden".

Mateusz W. ist arbeitslos, wegen "Drogensachen" vorbestraft und erst vor Kurzem wieder aus dem Gefängnis entlassen worden. "Ich habe viel Mist gebaut, das stimmt. Aber in diesem Fall habe ich mir nichts vorzuwerfen. Wie kann man mich als Exhibitionisten hinstellen? Ich schäme mich, meine ganze Familie wohnt doch hier." Mateusz W. hat sich einen Anwalt genommen und will den Polizeibeamten wegen Körperverletzung anzeigen.

Die Polizei widerspricht dieser Darstellung. Die Beamten seien von einer Frau mit Kindern auf den Mann angesprochen worden, der sein Geschlechtsteil in der Öffentlichkeit gezeigt habe. Als die Polizisten seinen Ausweis sehen wollten, habe Mateusz W. sich geweigert. Er habe sich anschließend auch geweigert, mit zur Wache zu kommen, um dort seine Personalien feststellen zu lassen. Bei der dann folgenden Festnahme habe er sich gewehrt und wurde deshalb zu Boden gerungen. Da er von dort aus versucht habe, einen Polizisten zu boxen, sei er wiederum mit dem Schlagstock geschlagen worden. Der zweite Polizist habe bei der Festnahme nicht helfen können, da er rund zehn Angreifer in Schach habe halten müssen.

Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Auftauchen des Videos einen "allgemeinen Prüfvorgang" angelegt. "In diesem wollen wir abklären, ob es ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer Körperverletzung im Amt gibt", sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Es handele sich allerdings nicht um "förmliche Ermittlungen", stellt Möllers klar.

Die Polizei hat in der Zwischenzeit rund um den S-Bahnhof Neuwiedenthal und an der Wache Neugraben ein sogenanntes Gefahrengebiet eingerichtet. "Damit können wir verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen", sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. Gruppen von Männern, die etwa in der Öffentlichkeit trinken oder sich aggressiv verhalten, können nun von den Beamten nach ihren Ausweisen gefragt werden. Die Polizei kann auch Platzverweise erteilen. Kommen die Angesprochenen diesen nicht nach, würden sie in Gewahrsam genommen werden. Zwölf zusätzliche Beamte sind zur Unterstützung nach Neugraben entsandt worden.

Gefahrengebiete werden zeitlich begrenzt an Orten eingerichtet, an denen sich Straftaten häufen oder zu erwarten sind. Derzeit ist eines wegen vermehrten Drogenhandels an der Balduintreppe auf St. Pauli eingerichtet.

Unterdessen haben Äußerungen von Joachim Lenders, dem Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, für Empörung in Neugraben geführt. Er hatte die Randalierer als "Unterschicht und Abschaum" bezeichnet. Die Hamburger Polizei distanziert sich von diesen Äußerungen. Polizeisprecher Ralf Meyer: "Das entspricht weder den Tatsachen noch unserem Sprachgebrauch."