Der einstige SPD-Hoffnungsträger soll Polizei-Vermerke gefälscht haben. Ihm wird Verleumdung vorgeworfen.

Hamburg. Die Prozedur, die nun folgen würde, war Bülent Ciftlik wohl bekannt. Als er gestern Morgen um 9.30 Uhr die Tür seiner Wohnung in Bahrenfeld öffnete, übergaben ein Staatsanwalt und Polizisten des Staatsschutzes ihm einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss und sahen sich anschließend in seinen Räumen um. Es war nach dem Mai des vergangenen Jahres bereits das zweite Mal, dass der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und ehemalige Parteisprecher derartigen Besuch bekam. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des "Verdachts der Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens" gegen den einstigen Hoffnungsträger der Partei. Auch Ciftliks Abgeordneten-Büro sowie sein Büro in der Altonaer SPD-Geschäftsstelle wurden durchsucht, Computer und Akten sichergestellt.

Bei den Ermittlungen gegen Ciftlik geht es um gefälschte LKA-Vermerke. In denen wurden die SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Mathias Petersen und Thomas Böwer, die innerparteilich als Gegenspieler Ciftliks gelten, bezichtigt, ihn bei der Justiz wegen der Vermittlung einer Scheinehe angeschwärzt zu haben. Eben wegen dieser Vermittlung durchsuchten Ermittler im vergangenen Jahr erstmals die Wohnung Ciftliks. Im Januar wurde er deshalb angeklagt. In wenigen Wochen muss er sich vor Gericht verantworten.

"Wir haben den Verdacht, dass Herr Ciftlik diese Vermerke angefertigt hat, um dadurch die Glaubwürdigkeit der beiden Bürgerschaftsabgeordneten infrage zu stellen", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers dem Abendblatt. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft nach dem Auftauchen dieser gefälschten Polizeivermerke gegen unbekannt ermittelt. "Nach der Vernehmung zweier Zeugen Anfang Februar hatten wir Anlass, einen Anfangsverdacht gegen Herrn Ciftlik anzunehmen", so Möllers weiter. Zum Inhalt und zu den Personen äußerte er sich allerdings nicht. Tatsächlich hätte der nach den Ermittlungen im Mai vergangenen Jahres angeschlagene Ciftlik einen politischen Nutzen gehabt, von Parteigenossen angeschwärzt worden zu sein. Er wäre das Opfer einer Intrige gewesen. Wie berichtet, hatte er die vermeintlichen LKA-Vermerke im Juli dem damaligen SPD-Landeschef Ingo Egloff präsentiert - mit dem Hinweis, sein Anwalt habe sie ihm übergeben. Erst im November wurden die Vermerke öffentlich. Schnell stellte sich heraus, dass diese gefälscht worden waren.

Während damals Thomas Böwer offen einen Ausschluss Ciftliks aus der Partei forderte - und zwar noch vor einem richterlichen Urteilsspruch - zeigten sich die Sozialdemokraten gestern erstaunlich besonnen. "Die Ermittlungen gehen offenbar zügig voran und wir hoffen, dass bald Klarheit herrscht", sagte SPD-Sprecher Jörg Schmoll dem Abendblatt. Parteichef Olaf Scholz ist derzeit im Urlaub, sei über die Ereignisse jedoch "informiert". Die vermeintliche Ruhe in der SPD ist ein Indiz dafür, dass die Ansage des neuen Parteichefs befolgt wird: Scholz hat der Partei nach jahrelangen Grabenkämpfen eine strikte Genesungszeit verordnet.

Auch wenn es widersprüchlich klingt: Je schwerer die Beweise auf Bülent Ciftlik lasten, desto näher kommt die SPD ihrem Ziel, den internen Sumpf trockenzulegen. Wie eine Kette reihen sich seit 2007 die Skandale aneinander: Der Stimmzettelklau, der Matthias Petersen um seine Spitzenkandidatur brachte. Dann die Vorwürfe der Vermittlung einer Scheinehe an Ciftlik und jetzt die gefälschten LKA-Papiere. Seit der Scheinehe-Anklage lässt Ciftlik sein Mandat ruhen.

Unabhängig von der Schuldfrage belegen die gefälschten Aktennotizen vor allem eines: mit welchen schmutzigen Tricks einige Genossen gegeneinander ausgespielt werden sollten. Die Sozialdemokraten wissen, dass diese öffentlichen Imageschäden nach einer einfachen oder gar mehrfachen Verurteilung Ciftliks zu den Akten gelegt werden könnten: Das - vermeintlich einzige - faule Ei wäre gefunden. Die Partei könnte nach Jahren der Skandale und Zerrissenheit zur Ruhe kommen. Bei einer Verurteilung wegen Verleumdung droht Ciftlik eine Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Für eine Stellungnahme war er gestern nicht zu erreichen.