Offenbar gibt es weitere gefälschte LKA-Vermerke. Der Abgeordnete Thomas Böwer will sich heute äußern. Erwartet wird eine Abrechnung.

Hamburg. Neuer Höhepunkt im SPD-Affärensumpf: Für heute wird die große Abrechnung des Bürgerschaftsabgeordneten Thomas Böwer mit seinem ehemaligen Landesvorsitzenden und langjährigen Kontrahenten Ingo Egloff erwartet. Aber auch Egloff-Nachfolger Olaf Scholz erwartet der Zorn seines Parteifreundes. Böwer fühlt sich offenbar von beiden hintergangen, weil sie ihn nicht über eine parteiinterne Intrige gegen ihn und Matthias Petersen informiert hatten. Mittlerweile geht es nach Abendblatt-Informationen um drei gefälschte Vermerke.

Es dreht sich um die "Affäre Ciftlik". Der ehemalige Parteisprecher ist wegen Vermittlung einer Scheinehe angeklagt. Bülent Ciftlik war es auch, der im Sommer Egloff ein gefälschtes LKA-Papier vorlegte, in dem Petersen und Böwer bezichtigt wurden, ihn angezeigt zu haben. Doch das behielt Egloff Monate lang für sich, statt auf Klärung zu dringen. Ein Parteiinsider: "Wenn Egloff das Papier für echt hielt, hätte er sofort ein Parteiverfahren gegen Böwer und Petersen einleiten müssen. Auch wenn er es für eine Fälschung gehalten hätte: In jedem Fall hätte er tätig werden müssen." Doch ein halbes Jahr ließ er Böwer und Petersen im Unklaren.

Egloff hielt sich sogar noch bedeckt, als im November der vermeintliche LKA-Vermerk den Medien zugespielt wurde und Böwer selber das Papier, das Ciftlik ein halbes Jahr zuvor dem damaligen SPD-Chef präsentiert hatte, als plumpe Fälschung entlarvte. Olaf Scholz, mittlerweile SPD-Vorsitzender, reagierte: Über den Rechtsanwalt Otmar Kury erstattete er Anzeige - allerdings ohne Böwer und Petersen darüber zu informieren. Auch nicht darüber, dass parteiinterne Recherchen und Befragungen Bülent Ciftlik offenbar schwer belasteten. Wie aus der Anzeige von Kury hervorgeht, hatte sich Ciftlik in Widersprüche zur Herkunft des gefälschten Vermerks verwickelt. Über die Anzeige und ihren Inhalt informierte Scholz lediglich das engste Führungsgremium der Partei, den geschäftsführenden Landesvorstand, vergatterte ihn aber nach Abendblatt-Informationen zur Geheimhaltung.

Petersen und Böwer erfuhren auch nichts, als Scholz den sogenannten Muras-Bericht zum Stimmzettelklau vorlegte. Diese Affäre hatte Petersen die Kandidatur zum Bürgermeisteramt gekostet. Gestern - nach umfangreicher Berichterstattung im Abendblatt und anderen Hamburger Medien - tauchten die an der Affäre beteiligten Spitzensozis ab. Egloff war für einen Kommentar zu seinem Verhalten nicht zu erreichen. Ciftlik, eine der zentralen Figuren in der Fälscheraffäre, war ebenfalls nicht bereit, Fragen nach den Widersprüchen in seinen zentralen Aussagen zur Herkunft des gefälschten LKA-Vermerks zu beantworten. Mal wollte er sie von einem Rechtsanwalt aus einer Ermittlungsakte, mal anonym zugestellt bekommen haben. Auch SPD-Parteichef Olaf Scholz wollte sich zur Sache nicht äußern.

Währenddessen dauern die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu den gefälschten Aktenvermerken an. "Wir führen immer noch ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt, seitdem die drei gefälschten Polizeivermerke in der Presse aufgetaucht sind", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers dem Abendblatt. Die kriminaltechnischen Untersuchungen an den Vermerken seien abgeschlossen. Zu Einzelheiten oder etwaigen Ermittlungsergebnissen wollte Möllers aus ermittlungstaktischen Gründen nichts sagen. Nach Abendblatt-Informationen handelt es sich um insgesamt drei gefälschte Dokumente mit den Daten 12., 13. und 25. Mai 2009. In den Akten vom 12. und 13. Mai soll Thomas Böwer dem LKA den Hinweis gegeben habe, Bülent Ciftlik habe eine Scheinehe vermittelt. In der Akte vom 25. Mai soll Petersen der Hinweisgeber gewesen sein.