Mehrere Tausend Menschen demonstrierten am Sonnabend gegen die Hamburger Wohnungspolitik. Es kam zu kleineren Krawallen.

Rotherbaum/St. Pauli. Auf einer Tafel stand "Rainvilleterrasse 4 (alte Seefahrtschule)" geschrieben. Auf anderen Plakaten war "Lagerstraße 2 (Fernsehturm)" zu lesen oder "Bellevue 24 (30er-Jahre-Villa)" - Schilder wie diese trugen am Sonnabend viele der Demonstranten: Sie nannten damit die Adressen leer stehender Häuser in Hamburg - und prangerten gleichzeitig an, warum diese Flächen nicht als Wohnraum genutzt werden.

Zu der Kundgebung gegen Gebäudeleerstand und Wohnungsnot hatte das Aktionsbündnis "Leerstand Wohnraum - sofort die Wohnungsfrage lösen" aufgerufen. Mehrere Tausend Hamburger - laut Polizei waren 3200 Menschen gekommen, nach Angaben des Veranstalters sogar knapp 7000, darunter auch Ver.di-Chef Wolfgang Rose - zogen am Nachmittag vom Uni-Campus im Stadtteil Rotherbaum bis zum teils leer stehenden Astra-Turm auf St. Pauli. Der Protest blieb bis auf wenige Ausnahmen friedlich.

Das Bündnis kritisierte, dass mit rund 1,2 Millionen Quadratmetern ungenutzter Bürofläche in Hamburg Platz für etwa 40.000 Menschen sei, während auf der anderen Seite Wohnungsnot und Mietwucher herrschten. Der Hamburger Senat vertrete mit seiner Wohnungspolitik, so die Organisatoren der Demonstration, einseitig die Interessen von Unternehmen und Vermietern. Die Gruppe forderte daher unter anderem, die Besetzung von Leerstand zu legalisieren. Auch für den Übergang von Wohnraum in gesellschaftliches Eigentum sowie Sanktionen für das Abschreiben leer stehender Büroräume sprach sich das Bündnis aus.

Indes marschierten die Demonstranten entspannt: Manche hatten sich in ein selbst gebasteltes Gebäude-Kostüm gezwängt, andere schwenkten Plakate mit Sprüchen wie "Auch Büros haben Duschen und Klos". Immer wieder skandierten sie: "Wem gehört die Stadt? Uns!" Aus Lautsprecherwagen tönte neben Forderungen wie "Leerstand verschenken!" auch laute Partymusik. Die Menschen - vom Punk mit der Astraknolle bis zum Papa mit Kinderwagen war alles vertreten - zelebrierten ihren Protestzug als friedlichen "Gute-Laune-Marsch": Luftballons stiegen auf, fröhliche Kinder und Hunde tollten umher. Von vielen Passanten ernteten die Protestler Zuspruch.

Zu Spannungen kam es erst, als bei der ersten Zwischenkundgebung am Neuen Kamp plötzlich einige Demonstranten aus einem leer stehenden Haus Konfetti warfen, Feuerwerke zündeten und auf einem Spruchband eine "Fette, fette Leerstandsparty" verkündeten. Die Masse applaudierte, die Polizei schritt jedoch nicht ein, die Lage blieb entspannt. Ebenso, als sich ähnliche Szenen auf der Budapester Straße im ehemaligen Hotel Mui und bei der zweiten Zwischenkundgebung auf St. Pauli am Spielbudenplatz bei der Esso-Tankstelle abspielten. "Diese Aktionen kamen nicht direkt aus unserer Demo heraus", sagte Martin Reiter, 31, einer der Protest-Sprecher. "Allerdings begrüßen wir solche Aktionen durchaus. Sie machen darauf aufmerksam, dass es ein Unding ist, wertvollen Wohnraum und womöglich Kulturdenkmäler einfach verkommen zu lassen."

Dann, als der Protestzug am frühen Abend den Astra-Turm erreichte, gab es doch noch einige unruhige Szenen: Aus der Menge heraus flogen Eier, Flaschen und Böller durch die Luft. Es folgten Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizisten, die den Platz um den Astra-Turm abgesperrt hatten. Schnell kehrte jedoch wieder Ruhe ein.

Allerdings flammten die kleinen Krawalle nach Demonstrationsende nochmals auf: Hinterher nahm die Polizei auf der Reeperbahn 20 Protestler in Gewahrsam, vier Demonstranten wurden vorläufig festgenommen; ein Wasserwerfer kam dabei zum Einsatz.

Nach einigen Abschlussreden, ein wenig Musik, Gesang und Tanz ging der Protest aber erst einmal recht unspektakulär zu Ende. In Sachen "Probewohnen" (wir berichteten) blieb es bei der symbolischen Ankündigung - in den Astra-Turm kam niemand hinein. Manche der Demonstranten riefen zwar noch "Frei besetzen statt leer besitzen!", aber insgesamt schien die Luft etwas raus zu sein aus diesem Vorhaben. "Aber nur für heute", sagte Constantin Braun, der die Demonstration für Sonnabend angemeldet hatte. "Der heutige Protest wird sicherlich nicht der letzte gewesen sein, wenn die skandalös ungerechte Hamburger Wohnungspolitik so weitergehen sollte wie bisher."