Senator Ian Karan über im Abendblatt-Interview über Schill und Schummeleien, die Ankunft im Amt und seine Pläne für die Wirtschaft.

Hamburger Abendblatt:

Herr Karan, Sie haben sich Ihre Entscheidung, Senator zu werden, nicht einfach gemacht. Sind Sie heute stolz?

Ian Karan:

Nein, das bin ich überhaupt nicht. Es ist für mich jedoch eine große Ehre. Die Entscheidung ist mir sehr schwergefallen. Nachdem Christoph Ahlhaus mir das vorgeschlagen hat, habe ich mir Zeit genommen und mit meiner Familie gesprochen. Die wollte zuerst nicht. Und so habe ich Herrn Ahlhaus abgesagt und Frank Horch (Präses der Handelskammer) empfohlen. Den hielte ich für einen geeigneten Wirtschaftssenator.

Sie halten sich für die zweite Wahl?

Nein. Ich gebe als Kaufmann meine Freiheit auf. Mehr oder weniger bin ich jetzt fremdbestimmt. Mir ist nun klar, warum so wenige Menschen aus der Wirtschaft in die Politik gehen. Politiker werden beschimpft, müssen gläserne Menschen sein. Es muss alles sauberer als sauber sein. Das ist alles nicht einfach.

Wenn die Bedingungen sind, wie Sie sie beschreiben: Warum haben Sie Ja gesagt?

Ole von Beust hat mir gesagt: "Du kannst nicht absagen." Und Christoph Ahlhaus hat mir gesagt: "Wir brauchen dich." Ich war dennoch mit Zweifeln geplagt und habe mich gefragt, ob ich der Richtige bin.

Sie haben dann Ja gesagt, weil die Elite der Hamburger Union um Sie geworben hat?

Ja. Auch das, aber vor allem habe ich eine Pflicht gespürt.

Gibt es auch inhaltliche Fragestellungen, die Sie gereizt haben?

Der Hafen, das Herzstück Hamburgs. In diesem Thema kenne ich mich aus und bin international verdrahtet.

Sie haben erzählt, Angela Merkel habe Sie aufgefordert, Deutscher zu werden. Sie haben Ihre Vergangenheit ein zweites Mal geschönt mit der Aussage, Sie hätten Ihr Studium in London nach Protesten gegen den Vietnam-Krieg aufgeben müssen. Beides stimmte nicht. Bereuen Sie, Ihren Lebenslauf verändert zu haben?

Natürlich bereue ich das. Ich würde das so nicht wieder machen.

Warum sind Sie nicht gleich mit der ganzen Wahrheit an die Öffentlichkeit gegangen?

Es war nicht alles gelogen, es war aber auch nicht die ganze Wahrheit. Vielleicht war ich zu blauäugig. Ich muss lernen, meine Worte besser abzuwägen.

Sie haben auch im Nachhinein erst eingestanden, dass Sie dreimal an die rechtspopulistische Schill-Partei gespendet haben. Kommt jetzt noch was in dieser Angelegenheit, was die Hamburger wissen müssen, oder liegt alles auf dem Tisch?

Erst zur Person Schill. Ich habe ihn durch einen Freund kennengelernt als intelligenten, belesenen und lustigen Menschen, der mir sagte, er wolle mit Härte gegen kriminelle Ausländer vorgehen. Das gefiel mir, weil ich nicht Ihren Luxus habe: Auf der Straße bin ich sofort als Ausländer zu erkennen. Wenn ein Deutscher ein Verbrechen begeht, dann ordnet man es dieser Person zu. Wenn ein Ausländer hier eine Straftat begeht, dann wirft das ein schlechtes Bild auf alle Ausländer. Niemand hat uns gebeten, hierherzukommen. Niemand würde uns eine Träne nachweinen, wenn wir wieder gehen. Wir Migranten müssen uns an die Gesetze halten, wenn wir hier leben.

Traumstart für Ahlhaus - Denkzettel für Senatoren

Und deshalb haben Sie Schill gespendet?

Ich habe ihn unterstützt im Wahlkampf, damit Ole von Beust Bürgermeister werden kann. Im Jahr darauf habe ich Schill nochmals gespendet. Die erste Spende im August 2000 waren 19 500 D-Mark, die zweite im Mai 2001 ging über 20 000 Mark. Die dritte Spende kann mir jeder vorwerfen, Schill war da schon diskreditiert. Hier kam mein Naturell zum Tragen. Als es zu Neuwahlen kam, kam der Schill-Nachfolger Mettbach zu mir wie ein Häufchen Elend und bat mich um 5000 Euro für den Wahlkampf. Zuerst wollte ich nichts mehr geben. Dann habe ich mich entschlossen, aus Mitleid zu spenden. Ich habe ihm aber gesagt: "Das war das letzte Mal. Schluss. Aus." Das war im März 2004. Jetzt wird mir zum Verhängnis, dass ich netterweise jemandem geholfen habe, von dem ich wusste, dass er in der Bredouille war. Heute wäre ich klüger und würde das so nicht mehr machen.

Ihnen wird zum Verhängnis, dass Sie nur zugegeben hatten, Schill im ersten Wahlkampf unterstützt zu haben. Jetzt kommt heraus, dass Sie auch drei Jahre danach noch die Nachfolgeorganisation unterstützt haben. Liegt jetzt wirklich alles auf dem Tisch in der Schill-Thematik?

Ja, das ist nachweisbar.

+++Zwei Neue und ein Neuling+++

Die Stadt kannte Sie bislang als großen Förderer und Mäzen. Werden Sie diese Rolle als Senator ablegen?

Nein. Ich habe etliche Programme laufen, die auf zugesagte Hilfe angewiesen sind. Zum Beispiel "Bildung gegen Kriminalität" oder "Mut", ein Projekt, das Kinder an Musik heranführt. Alles, was ich versprochen habe, werde ich aufrechterhalten. Neue Projekte kann ich nicht anstoßen, weil ich vermutlich nicht mehr die Zeit dafür haben werde.

Was ist mit Ihrem Sitz im HSV-Aufsichtsrat?

Laut Verfassung darf ich ehrenamtliche Tätigkeiten, die nicht mit einem Honorar verbunden sind, fortsetzen. Dazu zählt der HSV-Aufsichtsrat und meine Tätigkeit im Vorstand der Hamburger Symphoniker. Dazu muss es aber einen Senatsbeschluss geben, der ist für kommenden Dienstag geplant.

Fürchten Sie keinen Interessenkonflikt, wenn Sie als Wirtschaftssenator zum Beispiel über einen Grundstücksverkauf an den FC St. Pauli mitentscheiden, gleichzeitig aber HSV-Aufsichtsrat sind?

Das hätte ein Geschmäckle. Daher werde ich bei den HSV-Aufsichtsratswahlen im Januar nicht wieder kandidieren.

In der Bürgerschaft hat Christoph Ahlhaus am Mittwoch auch zwei Stimmen der Opposition bekommen, während Ihnen und Ihren Senatskollegen vier Stimmen aus dem Regierungslager fehlten. Wie wollen Sie die Abweichler überzeugen?

Ich war ein wenig überrascht über die vier fehlenden Stimmen, kann das aber auch nachvollziehen. Uns neue Senatoren kennen die Abgeordneten halt noch nicht so, wie sie Christoph Ahlhaus und seine Arbeit kennen. Umso mehr habe ich mich über das strahlende Ergebnis für ihn gefreut. Dass er so unumstritten gewählt wurde, war das Zeichen, auf das wir gewartet haben.

+++Machtwechsel in 118 Minuten - die Wahl im Liveticker+++

Wie lautet Ihr Leitmotiv für die nächsten 18 Monate als Senator?

Mein Wunsch ist es, dass die Menschen ohne Existenzängste in die Zukunft schauen können. Ich will Hamburg Optimismus geben.

Wo wollen Sie Impulse setzen?

An erster Stelle steht die Fahrrinnenanpassung der Elbe. Ich habe mich über die Aussagen von Enak Ferlemann, dem Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, gefreut, dass die Elbvertiefung wie geplant kommen wird. Wenn ein Mann aus Cuxhaven, wo der Widerstand besonders groß ist, das sagt, ist das viel wert.

Heute sind aber sehr kritische Stellungnahmen, etwa des Bundesamts für Naturschutz, veröffentlicht worden. Haben Sie sich damit schon beschäftigt?

Nein, noch nicht. Aber dass es glatt durchgeht, erwarte ich auch nicht. Wir müssen darum kämpfen.

Die Elbe soll zum wiederholten Mal vertieft werden. Diesmal um einen Meter. Jedes Mal gibt es jahrelang Streit. Wie lange kann das noch so weitergehen?

Fest steht: Mehr als dieser eine Meter geht nicht, das ist die letzte Anpassung der Fahrrinne, darüber sind sich alle einig. Aber wir haben in der Schifffahrtsbranche auch Eigentore geschossen. Die immer größeren Containerschiffe sind ja ökonomisch und wohl auch ökologisch sinnvoll. Wir müssen uns dennoch überlegen, ob dieser Gigantismus nötig ist, ob man wirklich träumen muss von Schiffen für 15 000 Container. Das kann man auch Größenwahn nennen.

Sie lehnen diesen Gigantismus also ab?

Wenn die Schiffe noch größer werden, könnte Hamburg gegenüber Rotterdam verlieren. Aber auch der Panamakanal wird dann zu eng. Hamburg wird als Hafen weiterhin eine wichtige Rolle spielen, weil hier viele Im- und Exporteure und Konsumenten sitzen. Aber auf lange Sicht brauchen wir für Deutschland so etwas Ähnliches wie einen Hafen-Masterplan.

Wird Wilhelmshaven als Tiefwasserhafen Hamburg den Rang ablaufen?

Nein. Ich halte Wilhelmshaven nicht für eine Konkurrenz.

Sie gelten in der Hafenwirtschaft als gut vernetzt, besitzen selbst noch Firmen, die im Containergeschäft tätig sind. Ergibt sich daraus nicht ein Interessenkonflikt mit Ihrer Rolle als Senator?

Nein, einen solchen Konflikt kann ich wirklich nicht erkennen.

Man könnte Ihnen vorwerfen, dass Sie sich auch für Ihr eigenes Unternehmen starkmachen, wenn Sie sich beispielsweise als Senator für die Elbvertiefung einsetzen.

+++Vom Tellerwäscher zum Wirtschaftssenator+++

Das ist weit hergeholt. Als Inhaber meiner beiden Firmen Clou Container Leasing und Capital Intermodal kann es mir völlig gleichgültig sein, ob meine Container über Hamburg oder über Rotterdam abgefertigt werden. Als Wirtschaftssenator ist mir das natürlich nicht egal. Ich habe aber auch gar keinen Einfluss darauf, wohin große Kunden wie Hapag-Lloyd oder Hamburg Süd meine Container transportieren.

Bleibt das Problem, dass Sie zumindest bis vor wenigen Tagen noch als Geschäftsführer Ihrer beiden Firmen tätig waren. Das ist mit Ihrem Amt als Senator laut Verfassung aber nicht vereinbar.

Das ist kein Problem. Seit Mittwoch bin ich in den beiden Unternehmen nicht mehr als Geschäftsführer tätig. Bei Clou Container Leasing hat meine Frau das Amt der Geschäftsführerin übernommen und bei Capital Intermodal meine Tochter. Da habe ich jetzt nichts mehr zu melden (lacht).

Aber die Beteiligungen an den Unternehmen halten Sie nach wie vor?

Sicher, ich kann doch nicht meine Firmen vererben und meine Lebensleistung aufgeben, nur weil ich Senator bin.

+++ Christoph Ahlhaus stellt Hamburger Staatsräte vor +++

Wie sehen Ihre Beteiligungen denn im Einzelnen aus?

Hauptsächlich bin ich an Clou Container Leasing beteiligt, das ist meine Holding, an der ich 60 Prozent der Anteile halte, 40 Prozent gehören meinen Kindern. Daneben gab es noch Capital Lease, eine hundertprozentige Tochter von Clou Container Leasing, beheimatet in Hongkong. Dieses Unternehmen habe ich aber schon 2007 verkauft. Der Erlös aus diesem Verkauf ist übrigens komplett nach Deutschland geflossen.

Es gibt aber Vorwürfe, dass das Geld aus dem Firmenverkauf über Hongkong geflossen ist, um Steuern zu sparen.

Das ist nachweislich falsch. Das Geld aus dem Verkauf ist in Deutschland versteuert worden. Darüber gibt es eine notarielle Urkunde.

Und die Gewinne, die Sie in Hongkong in den Jahren zuvor erwirtschaftet haben? Wurden die in Deutschland versteuert?

Da Capital Lease eine Tochtergesellschaft von Clou Container Leasing war, haben wir die Dividenden, wenn es welche gab, auch nach Hamburg abgeführt. Und die sind dann auch hier versteuert worden.

Sie haben den Firmensitz Hongkong also nicht aus steuerlichen Gründen gewählt?

Nein, die Wahl des Firmensitzes hatte nicht steuerliche, sondern unternehmerische Gründe: Fast alle Container, die heute hergestellt werden, werden in China gebaut. Wir wollten einfach ganz nah an den Produzenten sein. Noch einmal ganz klar: Ich habe meine Gesamteinnahmen immer in Deutschland versteuert. Mir Steuertricksereien vorzuwerfen wäre absurd.

+++Abweichler und gebügelte Unterhosen+++

Schwere Vorwürfe werden gegen Sie vom Starkoch Michael Wollenberg erhoben. Er wirft Ihnen vor, Sie hätten ihn beim Verkauf des Restaurants Insel über den Tisch gezogen und mit einem Kredit in Höhe von 160 000 Euro sitzen lassen.

Das ist im Grunde alles sehr durchsichtig. Ich werde gegen Herrn Wollenberg juristisch vorgehen.

Die Vorwürfe stimmen also nicht?

Ich war an der Insel am Alsterufer GmbH & Co. KG mit 20 Prozent beteiligt. Die Miteigentümer und ich haben das Restaurant aber schon vor einem Jahr verkauft. Zudem hatte ich als Minderheitsgesellschafter mit dem eigentlichen Geschäft nur wenig zu tun. Von einem Kredit in Höhe von 160 000 Euro ist mir nichts bekannt.

Angeblich ist der Verkauf des Restaurants nie zustande gekommen, weil die neuen Eigentümer nicht zahlen konnten.

Die Käufer der Insel waren wohl nicht so zahlungskräftig, wie wir gedacht haben. Aber wie gesagt: Ich war mit dem eigentlichen Geschäft so gut wie gar nicht befasst.

Ein Blick in die Zukunft: Wird es am Ende der Legislaturperiode in 18 Monaten unter dem neuen Wirtschaftssenator Karan mehr Arbeitsplätze in Hamburg geben?

Ich hoffe es. Die Zeichen sind gut, im Hafen geht es etwa wieder aufwärts.

Stehen Sie für eine zweite Amtszeit zur Verfügung?

Darüber denke ich an meinem ersten Arbeitstag nicht nach. Darüber hinaus bin ich immerhin schon 71 Jahre alt.