Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Blitzkarriere. Christoph Ahlhaus, 40, CDU und Katholik, wird Hamburgs Erster Bürgermeister.

Hamburg. Manchmal muss man sitzen bleiben, um sich näherzukommen. Die meisten Zuhörer haben längst den Saal verlassen, als Christoph Ahlhaus noch Fragen einiger Grüner beantwortet, die vor ihm Schlange stehen. Er sagt "Danke für den Hinweis" und "bitte, wenn das so ist, gebe ich das weiter", zückt einen Kugelschreiber und macht Notizen. Es sind Gesten der Verbindlichkeit, wie man sie von Kommunalpolitikern kennt, die Ahlhaus verwendet, als er sich an diesem Abend der Basis der GAL vorstellt. Wenn der CDU-Politiker heute zum Bürgermeister gewählt wird, dann ist das so: Einer, der gerne länger bleibt, folgt einem, der am liebsten früher geht. Ole von Beust ist selten lange auf öffentlichen Veranstaltungen geblieben, was seinem Ruf nie wirklich geschadet hat. Ahlhaus dagegen will Stadtvater "zum Anfassen" werden. Er wird mit sehr vielen Menschen reden müssen, denn das direkte Gespräch scheint für ihn der beste Weg zu sein, seine Imageprobleme zu bekämpfen.

Die Skepsis ist erst mal nicht ungewöhnlich. Die Deutschen, also auch die Hamburger, tun sich schwer mit neuen Gesichtern. Von Beust war am Ende ein bisschen so, wie Franz Beckenbauer im Sportfernsehen: Sein Publikum hat Fehler verziehen und wollte ihn, wenn auch etwas überdrüssig, immer wieder sehen. Als dann plötzlich Oliver Kahn anfing, Spiele zu analysieren, nahm ihm diese Rolle kaum einer ab.

Nun soll Ahlhaus nicht weniger erklären als den politischen Kurs, den Hamburg im kommenden Jahr einschlagen wird. Davon ist bisher wenig erkennbar. Das Ziel, das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen, stehe jedenfalls nicht zur Disposition. "Wir werden sparen, auch wenn es wehtut. Das ist politische Verantwortung", sagt Christoph Ahlhaus.

Das klingt nach Kontinuität zu seinem Vorgänger, man fragt sich nur: Kontinuität mit welchem politischen Gesicht von Beusts?

Es gibt einen von Beust, der im Jahr 2003 im Übersee-Club eine Grundsatzrede hält, die ein Zeichen gegen linke Politik setzen soll: Er bezeichnet Teile des Sozialstaates als "Reflex" auf den Begriff des "Stärkeren" der Nationalsozialisten, "weil allein das Berufen auf das angebliche Schwachsein moralische und politische Ansprüche auslöst, die einer Überprüfung längst nicht immer standhalten". Er plädiert für weniger Staat. Und es gibt einen von Beust der Jahre 2009 und 2010, der mit Kritik an freien Märkten und Kapitalismus auffällt und höhere Steuersätze fordert.

Seine wirkliche Gesinnung legt Ahlhaus nur so weit fest: Auf einer Skala von links nach rechts gibt er sich eine "sehr gesunde, positive Null", wobei die Mitte der CDU gemeint sei. "Das Grundprinzip, auf die Stärke des Individuums zu setzen, halte ich für genau richtig." Hamburg sei auch nicht sozial gespalten. "Natürlich gibt es wie in jeder Großstadt soziale Brennpunkte, wo der Staat genau hinschauen und helfen muss", sagt Ahlhaus, der aber offen lässt, ob sich Hamburg auf Bundesebene tatsächlich für eine höhere Spitzensteuer einsetzen werde.

Es ist ein buntes Farbenspiel, das Ahlhaus ins Amt begleitet. In Zeiten einer aktuellen Mehrheit für Rot-Grün muss er sowohl der GAL als auch der konservativen CDU-Klientel genügen, die zuletzt sogar durch Intrigen gegen Ole von Beust auffiel und seinen Rücktritt zumindest medial beförderte.

Und so wird Ahlhaus in diesen Tagen viele Hände fühlen, die an ihm aus verschiedenen Richtungen zerren. "Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ausgleichend wirke, aber für Themen auch kämpfen kann", sagt Ahlhaus über sich selbst. Sein bisheriges Thema, die Innenpolitik, sei eben "nicht besonders geeignet, sich bei der GAL-Basis übertrieben viele Freunde" zu machen. Die Kunst sei aber, "atmosphärisch gut" miteinander zu arbeiten. Ahlhaus, der von einer Flüchtlingsinitiative auch schon mal zum "Abschiebeminister" gewählt wurde, sagt in diesen Tagen: "Hamburg soll auch Hort sein für Flüchtlinge, wenn sie sich im Rahmen der rechtlichen Bedingungen integrieren." Das klang indes anders, als die GAL im Januar vehement in seinen Politikbereich eingriff - und verhinderte, dass aus Hamburg ein Iraner abgeschoben wurde - noch während die Ausschreitungen der sogenannten Grünen Revolution in dem Land die Zeitungen füllten.


+++Jubiläumsgala des Elysée wird zum Abschied für von Beust+++

Und so redet Ahlhaus, der Politikmanager, lieber über Vereinbarungen, die "auf Punkt und Komma" eingehalten werden. Bisher ist seine zentrale Hamburg-Agenda das anstehende Projekt der Umwelthauptstadt: Er sehe Hamburg als prosperierende Stadt, die über die Grenzen Deutschlands den Ruf habe, "mit nachhaltiger Umweltpolitik die zentrale Aufgabe des 21. Jahrhunderts zu bewältigen".

Zu kämpfen hat Ahlhaus aber nicht nur mit Zweifeln, wie ernst sein ökologisches Engagement gemeint ist. Sondern auch mit seiner Herkunft, was die Frage aufwirft, wie liberal Hamburg wirklich ist. Aus dem Süden hat es hier bisher kein Politiker geschafft, Regierungschef zu werden. Nur aus östlichen Himmelsrichtungen: Herbert Weichmann aus Landsberg, Peter Schulz aus Rostock, Hans-Ulrich Klose aus Breslau, Ortwin Runde aus Elbing. Selbst Max Brauer wurde, streng genommen, im preußischen Altona geboren.

Die Frage nach der Herkunft der Bürgermeister hat also etwas mit Grenzen zu tun. Geht überhaupt einer aus Baden-Württemberg? Diese Debatte hat an Schwung verloren, seit SPD-Fraktionschef Michael Neumann, gebürtiger Dortmunder, kürzlich erklären wollte, was sich in Hamburg gehöre und was nicht. Es hat den Anschein, dass die öffentliche Diskussion über "das Hamburgische" besonders laut von Nicht-Hamburgern geführt wird.

Ein fast normaler Arbeitstag - Beusts letzter Tag im Amt

Ahlhaus jedenfalls wird nicht müde zu betonen: "Wer mich in die reaktionäre Ecke stellt, irrt gewaltig." Er legt auch Wert darauf, dass aus seiner Heidelberger Zeit nicht nur der Kontakt zu einer schlagenden Studentenverbindung in Erinnerung bleibe. Mit dem Gewaltbild der Mensur, des Fechtens, habe sich Ahlhaus nie tiefer beschäftigt: "Ich habe nicht gefochten, das ist nicht mein Thema gewesen." Tiefgründiger war vielleicht sein Engagement gegen die Bebauung einer grünen Wiese in Heidelberg-Schlierbach, seinem Heimat-Stadtteil, da habe er sich auch gegen "Establishment" eingesetzt.

Bauen ist allerdings ein Thema, das ihn wieder einholen könnte. Während der eher introvertierte Beust in einer Stadtwohnung lebt, zieht der bürgernahe Ahlhaus in eine Villa in den Elbvororten. Muss man sich also doch die Frage stellen, was hanseatisch ist?