Verpasst Hamburg den nächsten globalen wirtschaftlichen Aufschwung? Investitionen in die Infrastruktur des Hafens sind existenziell.

Hamburg. Der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven dürfte den Verantwortlichen im Hamburger Senat und in der Hafenwirtschaft keine Angst bereiten. Denn Angst entsteht zumeist aus Unkenntnis und die ist hier nicht gegeben. Die Entwicklung in Wilhelmshaven war seit Jahren vorhersehbar und ist sehenden Auges hingenommen worden.

Während der Senat vor der Krise die Zukunft des Hamburger Hafens im Containerumschlag noch schön redete und sich vom Konzept des Universalhafens längst verabschiedet hatte, arbeitete die niedersächsische Landesregierung intensiv am Konzept des Tiefwasserhafens. Und sie gewann hierfür international tätige und strategisch handelnde Unternehmen. Auch ließ sie sich bereits vor Jahren mit Unterstützung des Hamburger Senats den Verlauf der Küstenautobahn als Verlängerung der A 20 mit der Elbquerung in Glückstadt sichern.

In Hamburg feierte dagegen kleinteiliges und zunehmend ideologisches Denken und Handeln wahre Urstände. Die systematische Entmachtung der Wirtschaftsbehörde, die halbherzige Privatisierung des größten Umschlagsbetriebes HHLA, die grandiosen Fehlplanungen im Mittleren Freihafen, das jahrelange Gängeln und Vertreiben im Hafen ansässiger Unternehmen, die Planung aberwitziger Bauprojekte im Hafengebiet und die fehlende Unterstützung der Fehmarn-Belt-Querung gehören, einzeln betrachtet, noch zu den vergleichsweise harmlosen Fehlentwicklungen.

Ungleich dramatischer sind das Aussitzen existenzieller Infrastrukturinvestitionen im Hafen und im Hafenrandgebiet sowie das fahrlässige Verschleppen der Fahrrinnenanpassung der Unterelbe durch den Senat. Erschwerend kommt hinzu, dass der Einfluss und der Stellenwert der hamburgischen, wie auch der schleswig-holsteinischen Politik in Berlin inzwischen völlig unbedeutend geworden ist.

Wenn es tatsächlich stimmen sollte, dass bis Ende 2009 noch nicht einmal die formalen Genehmigungsvoraussetzungen für die Fahrrinnenanpassung geschaffen waren, dann sind die Bürger, die Wirtschaft und die Seeschifffahrt durch den Senat über Jahre hinter das Licht geführt worden. Ein weiterer mehrjähriger Zeitverzug droht somit und Hamburg könnte den nächsten globalen wirtschaftlichen Aufschwung verpassen.

Es wäre der Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit und damit der Weg in die Verkümmerung des Hamburger Hafens. Beschleunigt würde dies durch den Vertrauensverlust bei nationalen und internationalen Investoren und Geschäftspartnern, also weit über die Grenzen Hamburgs hinaus.

Mag sein, dass diese Sicht der Dinge viel zu pessimistisch oder sogar falsch sein könnte. Und die vermeintlich schwarz-grünen Irrungen wären in Wahrheit Bestandteil einer klugen Wachstumsstrategie mit Weitsicht: Attraktive Immobilien, Wohnbebauung und Studieren am Wasser statt Industrie und Hafenumschlag. Kreuzfahrtschiffe und Mississippi-River-Boote statt Containerschiffe, Fender und Hafenschuten. Fazit der politischen Vordenker: Bis auf das Wetter ließe sich doch der attraktive Sydney-Harbour wunderbar auf die Nordhalbkugel kopieren - mit der Elbphilharmonie als Pendant zur weltberühmten Opera.

Wir brauchten dann auch keine kostenträchtige Fahrrinnenanpassung der Unterelbe mehr und auch keinen leistungsfähigen Nord-Ostsee-Kanal. Dann kämen die großen Seeschiffe gar nicht mehr bis zur Elbe oder sie führen gleich in Richtung Danzig vorbei. Dies würde sehr viel Geld und Investitionen sparen und ideal in das Flora-Fauna-Habitat-Konzept für die Unterelbe und in die Klimaschutzstrategie des Senats passen. Wir brauchten dann auch keine wettbewerbsfähigen Energiepreise mehr und könnten uns den Luxus von Hamburg Energie weiter erlauben. Und die Bürger dürften tatsächlich glauben, dass S- und Stadtbahn mit Sonnen- und Wasserkraftstrom betrieben würden. Wozu dann noch ein Kohlekraftwerk im Hamburger Hafen, das zudem die CO2-Bilanz der Stadt verhageln wird?

Entspräche dies nicht einer wirklich schönen neuen Welt im Kleinstaat Hamburg? Müssten wir nicht den angstfreien Strategen im Hamburger Rathaus dankbar sein, wenn sie eine solche Strategie tatsächlich längst ersonnen hätten?

Unterstützt werden sie ohnehin von norddeutschen Reedern, die - wie an diesem Wochenende - trotz dramatischer Überkapazitäten in Korea immer größere Schiffe vom Stapel laufen lassen. Diese können Hamburg ohnehin nicht mehr anlaufen, selbst nach einer Fahrrinnenanpassung. Es fehlt nur noch, dass die Bürger Hamburgs und Schleswig-Holsteins für die Finanzierungsrisiken solcher Schiffe ihren Kopf hinhalten müssen. Wirkliche Angst müssten jetzt die vielen Tausend Menschen in der Region haben, deren Arbeitsplätze gefährdet sind, weil sie direkt oder indirekt am ehemaligen Jobmotor Hamburger Hafen hängen. Hamburgs Angsthafen ist daher nicht Wilhelmshaven, sondern der Hamburger Hafen selbst.