Fünf Schwerverletzte aus Libyen werden seit Sonntag im Westklinikum behandelt. Sieben weitere werden Ende der Woche eingeliefert.

Rissen. Der Mann ist jung, so Anfang 20. Er studiert Medizin an der Universität von Tripolis, weil er anderen helfen möchte. Im August war er mal wieder unterwegs mit dem Rettungswagen, wie so häufig in den vergangenen Monaten in dem vom Bürgerkrieg geschüttelten Land. Ein Einsatz, bei dem es darum ging, libysche Freiheitskämpfer zu versorgen. Plötzlich wurde der Wagen beschossen. Eine Kugel traf den Medizinstudenten. Sie zertrümmerte einen Wirbel. Rund acht Wochen sind seitdem vergangen. Vielleicht sogar ein paar mehr.

Der Student ist einer von fünf schwer verletzten Opfern des Bürgerkriegs, die am Sonntagabend am Hamburger Flughafen eingetroffen sind und umgehend ins Asklepios-Westklinikum Rissen gebracht wurden. "Die Anfrage ist von einer Hilfsorganisation an uns gerichtet worden, die beim libyschen Übergangsrat eingerichtet worden ist", sagt Wolfgang Tigges, ärztlicher Direktor. Dieses "Wounded Evacuation Team Libya" kümmere sich auch um die Übernahme der Kosten und die Versorgung von bis zu 500 weiteren Patienten, die nicht in Libyen selbst weiter behandelt werden können.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte am Donnerstag bei einem Tripolis-Besuch die Behandlung von 150 Verletzten in Deutschland angekündigt. Für Dr. Tigges und sein Team war sofort klar, dass sie helfen würden. Bereits am Donnerstagabend sagte Tigges die Behandlung von sieben Patienten zu. Sie sollten Mitte dieser Woche nach Hamburg kommen. Doch bereits am Sonnabend meldete der ADAC-Flieger seine Startbereitschaft. Dass es sich bei den fünf Patienten, die nach Hamburg geflogen wurden, nicht um die Ausgewählten handelte, war zu diesem Zeitpunkt nicht klar.

+++ Einer der Freiheitskämpfer kam sofort auf die Intensivstation +++

+++ Fünf libysche Verletzte in Asklepios-Klinik eingetroffen +++

"Wir haben am Sonntag einen Notfallstab einberufen", sagt der Arzt. Ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Unfall- und Neurochirurgen, Internisten, Urologen und Pflegern. 50 Mitarbeiter insgesamt. Darunter auch Hans-Peter Köhler, Chefarzt der Neurochirurgie, der sich um die schweren Wirbelsäulenverletzungen der Patienten kümmert. Er kam am Sonntag direkt aus dem Urlaub in die Klinik, nahm die Männer gegen 22.15 Uhr in Empfang. Ein 29-jähriger Patient musste mit schweren Hirnverletzungen sofort auf die Intensivstation verlegt werden. Die übrigen vier sind trotz ihrer Verletzungen an der Wirbelsäule, an Gefäßen und Knochen relativ stabil gewesen.

"Es geht ihnen schlecht. Sie sind nicht nur körperlich, sondern auch seelisch schwer verwundet", sagt Internist Abu Hashem, der nicht nur in seiner Funktion als Arzt, sondern auch als Dolmetscher im Einsatz ist. "Es sind Männer, die nicht mehr gehen und nicht mehr stehen können." Die tief getroffen seien, auch psychisch.

Die fünf Männer im Alter von 23 bis 30 Jahren werden Wochen, vielleicht auch Monate in der Klinik verbringen. Die Klinik will außerdem in dieser Woche die sieben anvisierten libyschen Patienten aufnehmen. "Doch bevor operiert werden kann, müssen zunächst die chronischen Wunden verheilen, die durch das lange Liegen entstanden sind", sagt Neurochirurg Köhler. Dann erst könnten die Ärzte mit den zum Teil komplizierten Operationen beginnen.

Ziel sei, die Wirbelsäule der Patienten so zu stabilisieren, dass diese wenigstens wieder aufrecht sitzen können. Im Fachjargon heißt das: "Rollstuhlfähig machen". Köhler formuliert es anders: "Ich möchte, dass diese Menschen wieder selbstbestimmt leben können."