Schob die HSH Nordbank einem Manager Kinderpornos unter, um ihn zu entlassen? Oder soll der Vorwurf HSH-Chef Nonnenmacher treffen?

Hamburg. "Was dabei zutage tritt, ist eine hanebüchene Geschichte von Intrigen, Klagen und Sex. Und sie wirft die Frage auf, wer hier eigentlich welches Spielchen spielt."

So stand es am 4. November 2009 im Hamburger Abendblatt. Die " hanebüchene Geschichte " handelte von Roland K., ehemals Chef der US-Filiale der HSH Nordbank in New York. Jahreseinkommen etwa 400.000 Dollar, Büro an der Park Avenue in Manhattan - ein attraktiver Job, Roland K. hätte ihn gern behalten. Doch der damals 48-Jährige wurde entlassen, fristlos. Und in besagtem Artikel wehrte sich der Manager öffentlich gegen seinen Arbeitgeber, der ihm keinen offiziellen Grund für die Entlassung genannt habe. Inoffiziell, das war allen klar, ging es um den Vorwurf, er habe weibliche Mitarbeiter für gewisse Dienstleistungen im zwischenmenschlichen Bereich mit Beförderung belohnt. Auch mit Dienstreisenabrechnungen soll etwas nicht in Ordnung gewesen sein. "Kompletter Blödsinn", hatte Roland K. damals dem Abendblatt gesagt und den Verdacht auf HSH-Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher gelenkt. Der habe durch den öffentlichkeitswirksamen Rauswurf Stärke beweisen und von anderen Problemen ablenken wollen. Wie gesagt, eine hanebüchene Geschichte.

Knapp zehn Monate später hat die Story andere Adjektive verdient: erschütternd, abstoßend, kriminell - so oder so. Und man muss konstatieren, dass es erstaunliche Parallelen gibt zu einer anderen Entlassung: der von HSH-Vorstand Frank Roth.

Die neue Qualität im Fall Roland K. geht zurück auf einen Bericht der US-Anwaltskanzlei WilmerHale, den die HSH selbst in Auftrag gegeben hatte.

Wie der "Spiegel" aus dem streng vertraulichen Papier zitiert, gibt es "belastbare Indizien, dass Herrn K. eine Falle gestellt wurde". Und die sah so aus: Roland K. sollte sich am 17. September 2009, 10 Uhr morgens, in seinem Büro zu einer Telefonkonferenz mit Nonnenmacher bereithalten. Als er Wind davon bekam, dass sich HSH-Chefjustiziar Wolfgang Gößmann, Personalchef Stefan Brügmann, eine Juristin aus der Kanzlei des Potsdamer Rechtsanwalts Joachim Erbe, Thorsten Mehles und vier weitere Kollegen von der Hamburger Sicherheitsfirma Prevent AG sowie Bodyguards und Techniker näherten, zog er es jedoch vor, um 10 Uhr nicht im Büro zu sein. So bekam er am Nachmittag eine viereinhalbzeilige E-Mail von Brügmann: "Lieber Roland, du bist mit sofortiger Wirkung entlassen." So weit die bislang bekannten Fakten.

Neu ist, dass der HSH-Trupp das Büro im 32. Stock der Filiale gründlich durchsuchte und dabei, so der "Spiegel", schnurstracks auf ein paar Bilderrahmen zusteuerte. Und, o Wunder, in einem Rahmen mit dem Bild von Roland K.s Tochter fand sich eine E-Mail-Adresse, daneben eine Art Passwort: "000ROBI". Beides zusammen führte zu einem abscheulichen Fund im Netz: Kinderporno-Bilder. Das HSH-Team informierte umgehend die New Yorker Polizei, die Ermittlungen gegen den US-Manager einleitete.

Am 22. April 2010 schrieben die Ermittler jedoch der HSH, dass an den Vorwürfen nichts dran sei, mehr noch: Roland K. sei offenbar Opfer einer Intrige geworden. Es gebe starke Hinweise darauf, dass der E-Mail-Aufkleber auf dem Foto und die Schmuddel-Mails gezielt platziert wurden. Um sie am 17. September dort zu finden? Bislang ist das nur eine Vermutung - laut "Spiegel" ermittelt die New Yorker Staatsanwaltschaft in der Sache aber bereits gegen Gößmann und Nonnenmacher. Genährt wird der Verdacht auch durch Roland K.s Eindruck, dass Nonnenmacher ihn loswerden wollte. Schon in der vermeintlichen Bürosex-Affäre habe er vergebens in Hamburg um Unterstützung gebeten, sagte er dem Abendblatt. Die HSH Nordbank sieht sich in einem "Zyklus von Vorverurteilungen", die dem Institut - und damit auch dem Vorstandsvorsitzenden - massiv schaden, so Sprecher Frank Laurich. Er verwies dazu auf die Erklärung des Aufsichtsrates, der in Kenntnis des WilmerHale-Berichts Nonnenmacher bescheinigte, sich "jederzeit pflichtgemäß" verhalten zu haben. Dem "Spiegel" zufolge findet sich in dem Bericht aber keine derartige Aussage.

Auch im Fall Frank Roth passt einiges nicht zusammen, aber die Beteiligten sind dieselben. Der Vorstand wurde am 16. April von Nonnenmacher, Aufsichtsratschef Wolfgang Peiner und Rechtsanwalt Erbe entlassen - ironischerweise im kleinen, getäfelten "Nostalgiezimmer" der HSH-Zentrale. Ohne Umweg über sein Büro wurde er von Gößmann hinausbegleitet. Als Grund wurde genannt, dass eine nur an Roth verschickte vertrauliche Unterlage bei einer Zeitung aufgetaucht sei.

Am 29. Juli 2010 offenbarte aber der frühere Prevent-Mitarbeiter Arndt U. gegenüber Betriebsratschef Olaf Behm und weiteren Zeugen, dass er die Unterlage verschickt habe. Auch sei er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zur Bank gerufen worden, um Roths Büro zu verwanzen. Behm protokollierte die Aussage und schickte sie Aufsichtsratschef Hilmar Kopper, der sie an die Justiz weiterleitete und interne Ermittlungen einleitete. Obwohl alle HSH-Mitarbeiter am 20. August per Mail informiert wurden, dass der Chefjustiziar seiner Aufgaben entbunden sei, widerrief Arndt U. am Sonntag, 22. August, vor einem Notar seine Aussagen.

Nonnenmacher hält die letzte Version des Sicherheitsberaters für "stringenter" und betonte am vergangenen Freitag, Roths Entlassung sei "inhaltlich und formell" einwandfrei gewesen. Allerdings wirft das die Frage auf, warum die Kieler Staatsanwaltschaft die Anzeige der HSH gegen Roth geradezu verrissen hat, es für möglich hält, dass der geschasste Vorstand reingelegt wurde und nun folgerichtig gegen die HSH-Spitze ermittelt. Stutzig gemacht haben dürfte die Staatsanwälte auf jeden Fall die Aussage Gößmanns. Der hatte in Kiel zu Protokoll gegeben, dass Nonnenmacher und Roth sich nicht mochten. Roth habe gewusst, dass er bei nächstpassender Gelegenheit entlassen würde. Wurde auch diese "Gelegenheit" gezielt geschaffen? Wie gesagt: eine hanebüchene Geschichte. Mindestens.