Der HSH-Chef kann den Kampf um seine Integrität kaum gewinnen

Die Unschuldsvermutung ist ein kostbares Gut. Sie gilt, auch für Bank-Chefs, bis zum Beweis der Schuld. Die neuen Enthüllungen über das Geschäftsgebaren der HSH Nordbank werfen allerdings die Frage auf, ob die Vermutung der Unschuld auch als Vollkaskoversicherung für das Amt des Vorstandsvorsitzenden taugt.

Dirk Jens Nonnenmacher findet sich seit Monaten in einem Knäuel aus Vermutungen und Belegen, üblen Nachreden und Fakten wieder. Nun wird er nach harten Spitzel-Vorwürfen auch noch in den Zusammenhang mit einer Kinderporno-Affäre gerückt, die die Bank inszeniert haben soll, um damit einem leitenden Angestellten fristlos kündigen zu können. In einem Geschäftsfeld, für das einmal formuliert wurde, Vertrauen sei der Anfang von allem, läutet ein solcher Vorwurf eher das Ende einer verantwortlichen Führungskraft ein. Denn der Vorstandsvorsitzende einer Bank gehört ganz zweifellos zu den Personen, bei denen bereits der Verdacht fehlender Integrität genügen kann, um einen Amtsverzicht ratsam erscheinen zu lassen.

In ihrem Verhaltenskodex hat die Nordbank als Selbstverpflichtung festgelegt, "dass sich jeder unserer persönlichen Integrität und der Integrität unserer Bank sicher sein kann". Davon hat sich der Vorstand schon jetzt weit entfernt. Vor diesem Hintergrund mutet es voreilig an, dass Nonnenmachers Kontrolleure - der HSH-Aufsichtsrat - in voller Kenntnis der Vorhaltungen geschlossen hinter ihm stehen. Sie glauben offenbar an die Unschuld des Bankers "Dr. No", wie der Nordbank-Chef genannt wird. Aber handeln sie damit auch im Sinne des Unternehmens, der Anteilseigner und nicht zuletzt der Steuerzahler, die für die Bank bürgen?

Zweifel sind angesichts der Vehemenz und Nachhaltigkeit der Vorwürfe und des bisherigen Ausbleibens der Gegenrede angebracht. Denn selbst bei Nonnenmachers gänzlicher Unschuld in der Spitzel- und Kinderporno-Affäre, selbst wenn er eines Tages beweisen könnte, dass sich all die seltsamen Umtriebe nicht so, wie es jetzt scheint, oder wenigstens ohne sein Wissen ereignet haben, selbst dann liegt die Verantwortung für den Schaden bei ihm. Ein besonnener Rückzug aus dem Amt würde den Weg frei machen für einen Nachfolger, der ohne Verstrickungen, ohne Hemmungen und ohne den Geschäftsbetrieb zu belasten, aufklären könnte.

Dirk Jens Nonnenmacher ist ein kühler Rechner und gilt als brillanter Analytiker. Würde er als solcher bei einem Kollegen Chancen und Risiken eines Verbleibs im Amt gegeneinander abwägen, er würde ihn zu einem lauten, deutlichen und ehrenvollen "Ja" in Sachen Rücktritt bewegen. Vermutlich ist "Dr. No" angesichts der Erosion seiner Glaubwürdigkeit auch in eigener Sache nicht mehr sehr weit davon entfernt.