Der Widerstand in den Bezirken gegen das grüne Vorzeigeprojekt wächst. Die Initiative wird mittlerweile nur noch halbherzig weitergeführt.

Hamburg. Ein grünes, fünf Millionen Euro teures Vorzeigeprojekt ist vorzeitig im Abseits gelandet: Die sogenannten Gemeinschaftsstraßen stoßen in den Bezirken auf einen so großen Widerstand, dass sie wohl nicht verwirklicht werden können. Die Projekte werden nur noch halbherzig weitergeführt. Wie im Bezirk Mitte der Plan, die Lange Reihe zu einem "Shared Space" für knappe zwei Millionen Euro umzubauen, der zwar "eigentlich tot ist", wie Mittes Amtschef Markus Schreiber dem Abendblatt sagte, jedoch trotzdem mit einer öffentlichen Anhörung in einem Beteiligungsverfahren Ende Oktober den Bürgern nahegebracht werden soll.

Bei einer Gemeinschaftsstraße ("Shared Space") müssen sich Fußgänger, Radler, Auto-, Busfahrer und spielende Kinder ohne Verkehrsschilder verständigen. Im Koalitionsvertrag haben CDU und GAL festgelegt, dass sieben solcher Flächen entstehen sollen.

Grund für die Halbherzigkeit: "Die Umweltbehörde hat als Maßgabe ausgegeben, die Projekte bei Widerstand zu stoppen", sagt Schreiber. Und Widerstand gegen Baupläne gebe es ja überall in Hamburg. In St. Georg macht der Bürgerverein Front dagegen.

Altona ist indes der erste und bislang einzige Bezirk, in dem es eine förmliche Beteiligung mit Anwohnern und Gewerbetreibenden für eine Umsetzung an der Bahrenfelder Straße in Ottensen gegeben hat. Doch auch dort gab es heftigen Protest: 46 von 56 befragten Einzelhändlern sind dagegen. Etliche fürchten um ihre Betriebe, weil die Umwandlung in eine Gemeinschaftsstraße mit langen Bauarbeiten verbunden wäre. "Damit ist das Projekt eigentlich tot", sagt Altonas SPD-Politiker Henrik Strate. Auch Tim Schmuckall (CDU) will den Plan nur dann weiter verfolgen, wenn die Betroffenen das wollen - wonach es nicht aussieht.

Solche Beteiligungsverfahren hat die Behörde für Stadtentwicklung (BSU) jedem Bezirk auferlegt, um das Für und Wider mit allen Betroffenen zu diskutieren. Kommt es zu einer Einigung, können die Bezirke bei der BSU das Geld für die Umsetzung beantragen. Im Topf sind dafür 5,2 Millionen Euro, so BSU-Sprecherin Helma Krstanoski. "Diese werden nach Bedarf aufgeteilt." Im Koalitionsvertrag haben CDU und GAL festgelegt, dass in Hamburg sieben Shared-Space-Flächen entstehen sollen. Das ist aber noch Zukunftsmusik, so weit ist noch kein Bezirk. In Mitte wird an den Flyern gearbeitet, mit dem die Anwohner informiert werden sollen. In Eimsbüttel - dort geht es um die Osterstraße - gibt es noch keinen Termin. "Wir bereiten die Anhörung vor, da in dem Bereich sehr viele private und gewerbliche Anlieger betroffen sind", sagt Sprecher Stephan Glunz. Auch in Bergedorf sitzt man noch an den Vorbereitungen für ein Beteiligungsverfahren, das noch in diesem Jahr beginnen soll. Dort wird dann die Umgestaltung des Weidenbaumswegs diskutiert.

In Nord sind die Planungen derzeit ausgesetzt, weil der gesamte Bereich des Langenhorner Markts umgestaltet wird. Der für die Gemeinschaftsstraße vorgeschlagene Abschnitt der Tangstedter Landstraße wird laut Bezirksamt in diese Planung einbezogen werden. In Harburg konnte man sich hingegen noch immer nicht auf eine Straße einigen. Keine Gemeinschaftsstraße wird es in Wandsbek geben.

Hatte die Baubehörde anfangs noch Druck auf die Bezirke ausgeübt, so scheint das jetzt nicht mehr der Fall zu sein. Generell beruhe das System Gemeinschaftsstraße auf Freiwilligkeit, heißt es aus der Behörde. "Die Umsetzung liegt in den Bezirken, gegen deren Willen wird keine Gemeinschaftsstraße umgesetzt", sagt Sprecherin Krstanoski. Man sei dennoch mit den Bezirken in Kontakt - und habe einen eher positiven Eindruck von den Diskussionsprozessen vor Ort bekommen. "Es gibt durchaus kritische Stimmen", sagt Krstanoski. "Aber es gibt auch deutlichen Zuspruch für die Gemeinschaftsstraßen." Anders hört sich das bei den Betroffenen wie an der Bahrenfelder Straße an. "Ich verstehe nicht", sagt die Apothekerin Anette Kaiser, 46, "wie man hier Geld des Steuerzahlers verbraten will für ein Projekt, das kein Bürger wirklich will."