Der Ex-Vorstand der HSH Nordbank wehrt sich gegen die Gründe für seine Entlassung. Der Rauswurf Roths wurde für die Bank zum Bumerang.

Hamburg. Der unter dubiosen Umständen entlassene frühere Vorstand Frank Roth hat die HSH Nordbank aufgefordert, ihn zu rehabilitieren. "Ich erwarte weiterhin ein Signal der Bank, mache mir aber beim derzeit noch amtierenden Führungsduo keine allzu großen Hoffnungen mehr", sagte er im Gespräch mit dem Abendblatt.

Grund dafür sind die immer neuen Versuche der HSH, seine Entlassung zu rechtfertigen. Erst soll er vertrauliche Unterlagen an englische Journalisten verschickt haben, wurde im April 2009 fristlos rausgeworfen und wegen Geheimnisverrats angezeigt. Ein Jahr später stellte die Staatsanwaltschaft Kiel die Ermittlungen ein, weil sie für diesen Vorwurf keinen Hinweis fand. Stattdessen ermittelt sie nun wegen "falscher Verdächtigungen" gegen die Bank. Der Rauswurf wurde zum Bumerang.

Jetzt hat die HSH offenbar einen weiteren Bumerang geworfen - das legen jedenfalls Unterlagen nahe, die dem Abendblatt vorliegen. In ihrer Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens rückt die Bank zwar von dem Vorwurf des aktiven Geheimnisverrats ab, behauptet nun aber, Roth habe die vertraulichen Dokumente mit bedingtem Vorsatz in seinem Büro liegen gelassen und so Dritten Zugang dazu verschafft. Bei der Staatsanwaltschaft in Kiel - an der Förde hatte Roth ein Zweit-Büro - soll die Beschwerde Heiterkeit ausgelöst haben. Auch Roth selbst schüttelt nur den Kopf: "Das ist blanker Unsinn. Ich weise das vehement zurück. Selbst wenn dem so gewesen sein sollte: Wenn es strafbar sein soll, in einem gesicherten und überwachten Vorstandsbüro seinen Schreibtisch nicht aufzuräumen, müsste eigentlich schiere Panik in den deutschen Vorstandsetagen ausbrechen."

Merkwürdig erscheint der Vorgang auch mit Blick auf den Ablauf: Besagte Vorstandsunterlage war Anfang Februar 2009 von Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher und dem Chefjustiziar an Roth und die anderen Vorstände verschickt worden - individuell markiert, um herauszufinden, ob einer der Vorstände Bankgeheimnisse ausplaudere. Passiert sei jedoch nichts, sagte der Justiziar der Staatsanwaltschaft. Daraufhin habe man am 3. März 2009 nach gleicher Masche ein zweites Dokument verschickt. Erst danach tat sich etwas: Teile der Dokumente wurden von einem angeblichen Journalisten anonym aus England an Nonnenmacher zurückgeschickt. Schon das wird in der Medienbranche als völlig absurd beurteilt.

In ihrer Beschwerde behauptet die Anwältin der HSH nun auch noch, die Veröffentlichung der Unterlage hätte der Bank und Nonnenmacher sehr schaden können, weil darin vom Kapital- und Garantiebedarf der Bank die Rede war. Das passt aber nicht zu der Tatsache, dass schon seit Januar 2009 darüber berichtet wurde. Spätestens Mitte Februar war exakt bekannt, dass Hamburg und Schleswig-Holstein ihrer früheren Landesbank drei Milliarden Euro an Kapital und zehn Milliarden an Garantien stellen müssten. Am 17. Februar teilte die HSH das selbst mit. Wieso soll es brisant gewesen sein, diese Informationen nach dem 3. März weiterzugeben? Zumal der Justiziar aussagte, das Dokument hätte Nonnenmacher keinen Schaden zufügen können.

Roth vermutet, dass Nonnenmacher ihn und weitere Vorstände unbedingt loswerden wollte. "Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass sich ein neuer Vorstandschef ein neue Führungsmannschaft zusammenstellen möchte. Darüber kann man zivilisiert reden. Ein solches Gespräch hat aber nie stattgefunden." Warum nicht? "Der Weg zu einer einvernehmlichen Einigung war im Lichte der hitzigen Banker-Boni-Debatten öffentlich augenscheinlich versperrt", glaubt Roth. Also musste ein anderer Weg her.

Ende Juli räumte ein früherer Sicherheitsmitarbeiter der HSH ein, Roths Büro verwanzt, in seine Wohnung eingebrochen und jenes Dokument verschickt zu haben. Später zog er diese Aussage zwar zurück. Tatsächlich weist Roths Fall aber Parallelen zu einem US-Manager der HSH auf, dem die Bank Verbindungen zur Kinderpornoszene untergeschoben haben soll - diesem Verdacht geht jedenfalls die US-Justiz nach.

Auch ein früherer HSH-Manager in London weist die Gründe für seinen Rauswurf zurück. Ist in der zu 85,5 Prozent staatlichen Bank ein "konspirativ handelnder Personenkreis" am Werk, wie Roth vermutet? Wurden systematisch Mitarbeiter diskreditiert, um sie loszuwerden? Roth nennt keine Namen, aber wie der Aufsichtsratschef (Hilmar Kopper) Seite an Seite mit dem Vorstandschef die interne Aufklärung leite, bereite ihm Sorgen: "Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen." Seine Hoffnung auf eine Rehabilitation ist gering. Dass er mit dieser Einschätzung richtig liegt, bestätigte die HSH auf Abendblatt-Anfrage: "Die Bank ist nach wie vor der Auffassung, dass der Prozess der Abberufung von Herrn Roth inhaltlich wie formal angemessen war."