Fall Hans-Peter W.: Die CDU erwägt eine Spezialanstalt für Sicherungsverwahrung. Behörde will elektronische Fußfessel prüfen.

Hamburg. Vor dem Hintergrund der bundesweit aus Sicherungsverwahrung entlassenen Straftäter erwägt die CDU, ein spezielles Gefängnis in Norddeutschland zu errichten, das gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auch eine lebenslange Verwahrung von gefährlichen Straftätern garantieren kann. Rechtsexpertin Viviane Spethmann sagte dem Abendblatt, dort könnten ebenso Straftäter untergebracht werden, die in naher Zukunft entlassen werden sollen, wie auch bereits entlassene Straftäter. Darunter würde auch der Sexualstraftäter Hans-Peter W. fallen, der nun in Hamburg lebt.

"Eine entsprechende Ausstattung der Einrichtung würde die bisherige Kollision mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vermeiden", sagte Spethmann. Laut Urteil müsse eine deutliche Abgrenzung zur Strafhaft stattfinden.

Offenbar würde diese Unterbringung eher einer streng gesicherten Wohngemeinschaft ähneln als einem gewöhnlichen Gefängnis. Die Menschen dort in Sicherungsverwahrung würden etwa über Computer, Garten und auch eine Küche verfügen - um auf Wunsch selber zu kochen.

"Die Investitionen für eine entsprechende Anlage sind enorm und können nur im Verbund mit anderen norddeutschen Ländern geleistet werden", sagte die CDU-Politikerin. Nach bisherigen Schätzungen würde sich der Bau einer solchen Einrichtung erst ab einer Größe von 100 Insassen rechnen. "Die Sicherungsmaßnahmen sind kostspielig."

Hintergrund ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom Dezember. 80 Straftäter, die vor 1998 zu einer damals auf zehn Jahre begrenzten Sicherungsverwahrung verurteilt wurden, dürfen demnach nicht erneut in Sicherungsverwahrung genommen werden. Die bisherige Form der Sicherheitsverwahrung gilt als Strafe im Sinn der Europäischen Menschenrechtskonvention, eine Verlängerung käme einer doppelten Bestrafung gleich.

"Darüber hinaus setzt sich die CDU weiter dafür ein, eine rechtliche Lösung zu finden, die eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung ermöglicht", betonte Spethmann. Die Forderung der SPD nach einer Fußfessel, die über Satellit oder Telefon stets den Aufenthaltsort des entlassenen Straftäters anzeigt, wies Spethmann im Fall von Hans-Peter W. als "populistisch" zurück. Wenn alle Frauen potenzielle Opfer seien, "also die Hälfte der Bevölkerung", biete sie wenig Sicherheit. "Grundsätzlich will die CDU die Fußfessel jedoch als Instrument verfügbar haben."

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Vom grünen Koalitionspartner dürften diese Einschätzungen nicht geteilt werden. Dennoch will die vom GAL-Senator Till Steffen geführte Justizbehörde nun auch die Einführung einer elektronischen Fußfessel untersuchen. Es werde "keine Tabus bei der Prüfung" geben, wenn der Gesetzentwurf aus Berlin zur Zukunft der Sicherheitsverwahrung vorliege, hieß es aus der Behörde. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte sich zuletzt positiv zur Fußfessel geäußert. Justizsenator Till Steffen (GAL) jedoch im Abendblatt-Interview zur Fußfessel erklärt, "sie verhindert keine Straftat, sondern hilft höchstens bei der Aufklärung". Steffen erklärte auch, er sehe keine rechtlichen Optionen für eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung im Fall der nun Entlassenen. Stattdessen müsse die Verankerung der Sicherheitsverwahrung bereits im Urteil erleichtert werden.

Seit Anwohner in Hamburg gegen Hans-Peter W. demonstrierten, hat der GAL-Rechtsexperte Farid Müller zu Besonnenheit aufgerufen. Es gebe "keinen Grund zur Panik": Der Entlassene dürfe sein Haus nicht ohne Begleitung verlassen und werde rund um die Uhr betreut. Der Anwalt des Entlassenen, Bernd Behnke, warnte vor einer "Menschenjagd": Es sei unfassbar, dass jemand, der nach 30 Jahren aus der Haft entlassen wurde, gehetzt werde, sagte er der "Hamburger Morgenpost".