Politiker reagieren betroffen nach der Veröffentlichung des Reports der Innenrevision. Der weist dem Jugendamt schwere Fehler nach.

Hamburg. Das Urteil von Melanie Leonhard (SPD) nach der Lektüre des Chantal-Berichts ist eindeutig: "Der Staat hat sein Wächteramt für Chantal nicht wahrgenommen." Aus dem Bericht der Innenrevision zum Methadontod des elfjährigen Mädchens geht laut der Familienexpertin "krasses staatliches Versagen" hervor. Die zuständige Finanzbehörde hatte den 72 Seiten langen Bericht am Dienstag im Internet veröffentlicht.

Wie berichtet, kamen die Prüfer zu dem Schluss, dass es niemals zu einem Pflegschaftsverhältnis hätte kommen dürfen. Die Mitarbeiter des Jugendamts Wilhelmsburg wussten um die schwierigen Lebensverhältnisse der Pflegeeltern und die Vernachlässigung der Kinder. So heißt es im Bericht wörtlich: "Dem Jugendamt waren die Familienverhältnisse, die Drogenabhängigkeiten der Pflegeeltern, der Wohnungszustand (...) bekannt."

Prüfer legen Protokoll des Versagens im Fall Chantal vor

Christiane Blömeke (GAL) sieht in dem Bericht ein "eklatantes Fehlverhalten" im Jugendamt. "Es ist schwer nachzuvollziehen, dass in der Familie ein Kind untergebracht wurde und warum das Jugendamt Meldungen von verschiedenen Seiten über Missstände nicht nachgegangen ist." Die Familienpolitikerin sieht die Sofortmaßnahmen der Sozialbehörde, wie etwa Drogentests bei Minderjährigen in Pflegefamilien, kritisch. "Der Bericht der Innenrevision sagt ganz klar, dass die Regelungen ausreichend sind. Sie müssen nur konsequent angewendet werden." Dieses Thema werde im Sonderausschuss, der an diesem Dienstag eingesetzt wurde, zur Sprache kommen.

Im Ausschuss will Christoph de Vries, familienpolitischer Sprecher der CDU, auch darüber sprechen, ob die Pläne der Sozialbehörde, das Pflegekinderwesen wieder allein in staatliche Hände zu geben, sinnvoll sind. "Zumindest stellt sich die Frage danach, denn der Innenrevisionsbericht sagt ja eindeutig, dass das Jugendamt Fehler gemacht hat." Auch er reagierte mit Unverständnis darauf, dass Chantal in dieser Pflegefamilie untergebracht wurde. "Das war mit nichts zu rechtfertigen."

Nach Fall Chantal: Empörung über Scheele-Pläne

Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) verteidigte die Sofortmaßnahmen seiner Behörde. Auf Gesundheitszeugnisse oder etwa Drogentests zu bestehen sei richtig gewesen. "Wir konnten erahnen, was im Bericht steht, sonst hätten wir nicht so hart eingegriffen." Er machte aber auch deutlich, dass der Sonderausschuss nun erörtern werde, welche Maßnahmen im Pflegekinderwesen künftig getroffen werden sollen. Er hoffe auf "einvernehmliche" Lösungen.

Scheele sagte darüber hinaus, dass der Bericht der Innenrevision niemanden unberührt lassen könne. "Es ist traurig, in welche Verhältnisse Kinder geboren werden. Das Leben von Chantal war von Geburt bis zum Tod von Unglück beherrscht." Die Konsequenz daraus müsse sein, die Angebote der Stadt für entsprechende Familien so gut und so dicht wie möglich zu machen.