Sozialsenator will Vermittlung nach Methadontod der Elfjährigen wieder den Jugendämtern übertragen. CDU warnt vor “voreiligen Entscheidungen“.

Hamburg. Ein Eckpunktepapier der Sozialbehörde zur Reform des Pflegekinderwesens nach dem Methadontod der elfjährigen Chantal hat im zuständigen Jugendausschuss für große Aufregung gesorgt. Das Papier sieht im Wesentlichen vor, das Zusammenführen von Pflegekindern und Pflegefamilien wieder weitestgehend in die Hände der Jugendämter zu legen. Bislang haben freie Träger diese Aufgaben übernommen. Zwar soll darüber erst im Herbst dieses Jahres abschließend entschieden werden, dennoch sah das Eckpunktepapier vor, die Verträge mit den freien Trägern vorsorglich zu kündigen. Für den Fall, dass der dafür zuständige Sonderausschuss den Vorschlag der Behörde annimmt, wäre damit ein reibungsloser Übergang gesichert.

+++ Fall Chantal - Jugendamt Wilhelmsburg hat versagt +++

Das werteten viele Mitglieder des Jugendausschusses als Affront. "Das passt nicht zusammen", sagt Christiane Blömeke, jugendpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion. Die Beratung im Sonderausschuss werde zur Farce, wenn bereits vor dessen erster Sitzung mit der Kündigung Fakten geschaffen würden. Empörung gab es auch bei der CDU: "Selbstverständlich müssen die strukturellen und organisatorischen Defizite behoben werden, die zum Tod Chantals beigetragen haben", sagt Christoph de Vries. "Der zweite Schritt darf aber nicht vor dem ersten gemacht werden." Es sei falsch, voreilig Entscheidungen zu treffen.

Dies habe er auch überhaupt nicht beabsichtigt, sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) dem Abendblatt. Vielmehr habe es sich um Vorschläge gehandelt. Einem Beschluss des Sonderausschusses sollte nicht vorgegriffen werden. "Dieser Fall taugt nicht zu politischen Schlachten." Scheele sagte, er setze auf einen breiten Konsens.

Gut möglich, dass sich diese Erkenntnis erst durchgesetzt hat, nachdem sich auch Scheeles Parteifreunde im Familienausschuss gegen die vorzeitige Kündigung ausgesprochen haben. "Dies wäre nicht glücklich für die Zusammenarbeit mit den Trägern gewesen", heißt es aus deren Kreis. Ob diese sogenannte Rekommunalisierung der Pflegekinderdienste sinnvoll ist, darüber gibt es auch bei den Sozialdemokaten noch keine abschließende Meinung. "Das wäre ein Paradigmenwechsel. Bevor wir den vollziehen, möchte ich schon noch mit Trägern und Pflegefamilien in einer Expertenanhörung sprechen", sagt Melanie Leonhard, familienpolitische Sprecherin der SPD.

Klar spricht sich Leonhard für Drogentests in Pflegefamilien aus. "Es ist beklagt worden, dass es keine Regeln gibt. Diese haben wir nun." Festgelegt sind diese in den Sofortmaßnahmen der Sozialbehörde nach dem Tod von Chantal. Künftig, so sieht es das Eckpunktepapier vor, sollen "milieunahe Unterbringungen" nicht mehr vorgenommen werden. Ein weiteres Ausschlusskriterium sind gefährliche Haustiere wie Kampfhunde. Zudem muss jedes Kind sein eigenes Bett haben. Auch dies eine Lehre aus dem Fall Chantal.