Nach dem Methadon-Tod der kleinen Chantal aus Wilhelmsburg liegt nun ein Untersuchungsbericht vor, der das Versagen des Jugendamtes zeigt.

Hamburg. Gut vier Monate nach der tödlichen Methadonvergiftung der elfjährigen Chantal liegt ein erster Untersuchungsbericht vor. Darin hat die Innenrevision der zuständigen Finanzbehörde das Versagen des Jugendamts Wilhelmsburg rekonstruiert. "Es geht jetzt um die Frage, wie wir künftig mit derartigen Fällen umgehen", sagte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) gestern dem Abendblatt. Die Konsequenzen aus den Vorgängen sollen demnächst vorgestellt werden.

+++Fall Chantal: Schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt+++

Die Innenrevisoren haben zweieinhalb Meter Akten ausgewertet. "Es ist immer klarer geworden, dass es über alle Instanzen hinweg ein Versagen im Jugendamt gegeben hat", sagt jemand, der sich intensiv mit dem Fall Chantal befasst hat. Es habe genug Möglichkeiten gegeben zu intervenieren, alle seien ausgelassen worden. Laut "Bild" habe es drei Beschwerden gegen Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) gegeben. Keiner einzigen sei nachgegangen worden. Zwei Amtsvormünder, jeweils von Chantal selbst und deren Schwester, sollen die ASD-Mitarbeiter umfassend über die Fehlentwicklungen informiert haben. So habe es den Hinweis gegeben, dass Chantal sich in der Familie "unglücklich" gefühlt habe. Deren Schwester sei häufiger nicht in der Schule gewesen. Eine Lehrerin von Chantal habe den Jugendamtsmitarbeitern zudem vom auffälligen Verhalten des Mädchens berichtet. Konsequenzen hatten diese Hinweise nicht.

+++Jugendamt ignorierte Hinweis von Lehrerin+++

Nun kommt auch heraus, dass das Jugendamt zudem wusste, dass die Pflegemutter tagelang nicht zu Hause war. "Es ist klar, dass die Amtsvormünder umfassend über die Zustände in der Familie informiert gewesen waren. Chantals Tod hätte nicht nur verhindert werden können, sondern müssen", sagt ein involvierter Politiker. Hätte man die Elfjährige früher aus der Pflegefamilie genommen, hätte sie nicht das Methadon ihrer drogensüchtigen Pflegeeltern zu sich nehmen können. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass die ASD-Mitarbeiter nicht überlastet gewesen seien. Es habe sich vielmehr in Wilhelmsburg um ein "geschlossenes System" gehandelt, "das sich nur noch um sich selbst gedreht" habe. "Niemand war mehr in der Lage, die Reißleine zu ziehen."

+++CDU will Pflegeeltern schärfer kontrollieren+++

Fachleute werten das als klare Pflichtverletzung, da Jugendamtsmitarbeiter allen Hinweisen nachgehen müssten. Inwieweit das strafrechtliche Konsequenzen hat, ist noch offen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen fünf Mitarbeiter wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorgepflicht.