Im Amtsgericht St. Georg wurde nur kurz den 37-jährigen ehemaligen Parteisprecher der SPD verhandelt. Der Prozess ist vertagt.

Hamburg. Der Prozess wegen Vermittlung einer Scheinehe gegen den Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Bülent Ciftlik ist nach Verlesung der Anklageschrift unterbrochen worden. Das Amtsgericht St. Georg entschied am Freitag, das Verfahren am 30. April fortzusetzen, um den neuen Verteidiger Ciftliks eine angemessene Einarbeitungszeit zu geben. Die bisherigen Anwälte des früheren SPD-Sprechers hatten am Donnerstag überraschend ihr Mandat niedergelegt.

Ciftlik soll seine Ex-Freundin überredet haben, einen türkischen Bekannten zu heiraten, damit dieser eine Aufenthaltserlaubnis bekommt. Als Gegenleistung habe dieser 3000 Euro an die Frau bezahlt. Diese habe das Geld wiederum an Ciftlik als Kredit für seinen Wahlkampf weitergeleitet.

Auch die Eheleute Nicole D. und Kenan T. sind angeklagt. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt: Ciftlik hat eine Scheinehe zwischen seiner Bekannten und dem Türken angestiftet, damit Kenan T. eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland erhält. Ciftlik selbst bestritt diese Vorwürfe von Anfang an vehement, nannte sie haltlos und sprach zunächst sogar von einer Kampagne gegen ihn. Öffentlich sagte er aber bisher nichts, was ihn hätte entlasten können. Die Beweise will er im Prozess auf den Tisch legen. Will erstmals vollständig Rede und Antwort stehen, will sein öffentliches Schweigen brechen. Auch wenn ihm viele Menschen zuhören, ihm zusehen und jede seiner Gesten bewerten werden - es wird ein einsamer Kampf für Ciftlik.

Kämpfen an sich ist der 37 Jahre alte Abgeordnete aus Altona gewöhnt. Es ist quasi der rote Faden, der sich durch seine gesamte Laufbahn in der Hamburger Politiklandschaft zieht. Auch wenn SPD-Mitglieder es nicht gern hören und schon gar nicht offen zugeben würden - bei einigen Genossen gab es 2004 Vorbehalte gegen einen türkischstämmigen Parteisprecher. Sein Ziehvater und jetziger SPD-Landeschef Olaf Scholz holte ihn dennoch. Damit begann der Aufstieg Ciftliks.

Noch 2007 galt er als Hoffnungsträger der Hamburger SPD. Im Bürgerschaftswahlkampf 2008 wurde er medial zum "Obama von Altona" gemacht. Durch seinen unermüdlichen Einsatz im Straßenwahlkampf schaffte Ciftlik es, SPD-Urgestein Walter Zuckerer zu übertrumpfen und von einem als aussichtslos geltenden Listenplatz in die Hamburgische Bürgerschaft einzuziehen. Eine Tatsache, die ihm vor allem in den eigenen Reihen nicht nur Freunde eingebracht hatte.

Den ersten offenen Riss zwischen Ciftlik und seiner Partei gab es nach dem Stimmzettelklau im Jahr 2007, der den damaligen SPD-Chef Mathias Petersen um seine Bürgermeisterkandidatur gebracht hat. Auch wenn es niemals entsprechende Beweise oder sogar nur zwingende Indizien dafür gegeben hätte, hegten einige Genossen den Verdacht, Ciftlik sei daran beteiligt gewesen. Die wahren Täter sind nie gefunden worden, die Polizei stellte die Ermittlungen ohne Ergebnisse ein. Dennoch: Etwas blieb hängen, waberte weiter durch die Hinterzimmer und durch einige Köpfe in der SPD. Es waren wohl dieselben Köpfe, die nichts unversucht ließen, den Nachwuchspolitiker immer wieder in die Negativ-Schlagzeilen zu bringen.

Im März 2009 durchsuchten Ermittler dann Ciftliks Wohnung, wegen des Verdachts, eine Scheinehe vermittelt zu haben. Kurze Zeit später geriet er erneut ins Visier der Fahnder, wird verdächtigt, Polizeivermerke gefälscht und zwei Parteikollegen angeschwärzt zu haben. Ciftlik zog sich immer weiter zurück, verlor erst sein Sprecheramt, ließ dann sein Bürgerschaftsmandat ruhen. Selbst langjährige Parteifreunde und Förderer distanzierten sich von ihm. Ciftlik wirkt isoliert in der Hamburger Politiklandschaft, wird nur noch gestärkt durch seine Altonaer Gemeinschaft. Aufgegeben hat Ciftlik trotzdem nicht. Ab heute kämpft er seinen härtesten Kampf.