Das Hamburger Grindelviertel ist besonders betroffen, in der Neustadt haben sich allerdings Anwohnerparkzonen bewährt.

Hamburg. Schnell, da vorne wird einer frei", sagt Helene Kromer, 27. Sie beugt ihren Oberkörper nach vorne, fasst mit ihren Händen das Lenkrad fester und bekommt einen äußerst zielstrebigen Blick. Da ist er: ein freier Parkplatz. "Oh, jetzt ist er weg", sagt ihre Beifahrerin und Freundin Litizia Schultheiss, 21. Seit fast zehn Minuten kurven die beiden mit "Doris" - so nennt die Besitzerin ihren Mazda - nun schon auf der Suche nach einem Stellplatz durch das Grindelviertel.

"Wir wollen eigentlich nur schnell ein Buch aus der Bibliothek holen", sagt Kromer. Von der Bornstraße geht es in den Grindelhof, dann in die Hartungstraße und schließlich in die Schlüterstraße. Wieder fährt ein Auto aus einer Parklücke. Kromer blinkt und zieht schnell nach links, denn auch auf der Gegenfahrbahn hat jemand die Chance erkannt und beschleunigt für den Kampf um die freie Lücke. Aber "Doris" war schneller. "Was für ein Glück", sagt eine der jungen Frauen, und die beiden strahlen, als ob sie soeben Prinz William geheiratet hätten.

Normalerweise benutzen die Studentinnen öffentliche Verkehrsmittel. Aber heute hatten sie einen Termin am Stadtrand und mussten danach wieder zur Universität. "Das letzte Mal habe ich hier 45 Minuten nach einem Parkplatz gesucht", sagt Kromer. Schlussendlich habe sie ihr Auto wieder nach Hause gebracht und sei mit der S-Bahn gefahren. Seitdem bleibt "Doris" meist zu Hause in der Neustadt stehen, denn hier hat Kromer einen Anwohnerparkausweis. "Das klappt ganz gut", sagt sie.

Und während die Freundinnen gehen, fährt zum dritten Mal Michael Rapiau, 42, vorbei. Sein Gesichtsausdruck wirkt genervt. Ein paar Minuten später schlendert er, inzwischen besser gelaunt, die Straße entlang. Es sei immer das Gleiche hier, sagt er. "Tagsüber parken die Studenten alles zu, und abends kommen dann die Restaurant- und Theaterbesucher." Erst ab 23 Uhr werde die Situation wieder besser. Die beste Lösung wäre seiner Meinung nach ein Anwohnerparkausweis.

Ein Thema, das auch die Politik derzeit beschäftigt. Die GAL-Bürgerschaftsfraktion fordert ähnlich dem Berliner Modell, sämtliche Parkplätze innerhalb des Stadtgebiets kostenpflichtig zu machen und gleichzeitig das Anwohnerparken auszuweiten. Vom Senat gibt es dazu noch keine klare Entscheidung. Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof zeigte sich einer Ausweitung des Anwohnerparkens gegenüber aufgeschlossen. Dies müsse aber im Einzelfall geprüft und vom Senat politisch gewollt sein, sagte er im Gespräch mit dem Abendblatt. Auch Teresa Horstmann, 22, sucht hier mindestens fünfmal in der Woche einen Parkplatz. Denn ihr Freund wohnt hier. "Mein Rekord bei der Stellplatzsuche sind 65 Minuten", sagt sie. "Das nervt fürchterlich. Ich verschwende so viel Zeit mit Suchen." Manchmal fährt sie extra spät los, um erst nach 23 Uhr anzukommen, denn dann sind die Besucher aus den anderen Stadtteilen weg, und es gibt wieder freie Parklücken.

Für Frank Schach ist die Suche nach einem Stellplatz eine Einstellungssache. "Ich mache gerne mal einen kleinen Zwangsspaziergang hier durchs Viertel", sagt er. Dafür sucht er im Durchschnitt nur fünf Minuten nach einem Parkplatz. Er fährt jeden Abend eine feste Route ab und parkt, wenn es sein muss, auch mal ein ganzes Stück von seiner Wohnungstür entfernt.

Auch andere Anwohner schwören auf "ihre" Tricks, mit denen sie ganz schnell einen Parkplatz finden. Aber natürlich wollen sie diese nicht verraten oder gar in einer Zeitung lesen, sonst ist es auch dort bald überfüllt.

Auch viele Gewerbetreibende sind von der Parksituation im Grindelviertel genervt. Nicht nur weil sie oft auch Anwohner sind, sondern auch weil sie sich um ihre Kunden sorgen. "Ich habe oft Kunden, die sagen, sie können nicht kommen, weil sie keinen Parkplatz finden", sagt Jimmy Blum, Besitzer eines Secondhand-Ladens und Vorsitzender von Grindel e.V. In dem Verein ist ein Großteil der Gewerbetreibenden des Viertels Mitglied. Wie die Hamburger Grünen fordern auch sie eine Parkraumbewirtschaftung nach dem Berliner Modell - mit Parkausweisen für Anwohner für eine Jahrespauschale Parkscheinautomaten für alle anderen. "Das funktioniert nur in Kombination und wenn auch entsprechend kontrolliert wird", sagt Blum.

So sollen die externen Langzeitparker verscheucht werden. "Es würde eher ein Kommen und Gehen geben, und die Anwohner würden gesondert berücksichtigt", sagt Blum. Schließlich sei Parkraum auch ein kostbares Gut und eine Dienstleistung und dürfe somit auch etwas kosten. "Ich glaube, den Kunden ist es lieber, sie bezahlen etwas und bekommen einen Parkplatz, als dass sie ewig suchen."

Rund um den Großneumarkt wird dieses Prinzip bereits praktiziert. Und tatsächlich: Alle paar Meter ist ein Parkplatz frei. Wer hier nicht wohnt, muss eben zahlen. "Die Situation hier ist prima, ich finde immer einen Parkplatz", sagt Ekatharina Preu, 40, die gerade in ihr genau vor ihrem Büro geparktes Auto steigt. Die 35 Euro, die ihr Anwohnerparkausweis pro Jahr kostet, sei ihr das allemal wert.

Ramin Raschidi, 30, kommt aus Bergedorf und findet die Parkverhältnisse eher "katastrophal". Er geht in der Gegend regelmäßig zum Friseur und bekommt dann meist einen Strafzettel. "Ich habe zwar einen Parkschein, aber dann dauert es eben oft doch länger als gedacht." Aber die fünf Euro seien zu verschmerzen. "Mittlerweile rechne ich das sogar schon mit ein", sagt er.

Lazarus Ourgantzidis, 44, findet trotzdem, dass in der Neustadt nicht genug kontrolliert wird. "Das Konzept ist gut, aber es gibt hier viele, die mit einem abgelaufenen Parkausweis herumstehen", sagt er. Und zum Dom und Hafengeburtstag kämen dann noch viele dazu, die das Viertel mit einem kostenlosen Parkplatz verwechseln. Nur alle paar Monate gebe es mal eine Kontrolle. "Das ist in anderen Gegenden mit Anwohnerparkflächen ganz anders", sagt Ourgantzidis. Auf St. Pauli bei seinem Freund werde sogar mehrmals am Tag kontrolliert. "Ich kenne Leute, die wohnen hier seit einem Jahr nicht mehr, haben aber noch einen Parkausweis."