Vom Gemeinschaftsacker in Fischbek holen die Pächter Möhren, Bohnen und Zucchini heim. Eine Parzelle kostet hier rund 160 Euro.

Fischbek. Parzellen mit Gartenhäuschen und Jägerzäunen gibt es auf dem fußballfeldgroßen Gemeinschaftsacker nicht. Nur Bindfäden auf Knöchelhöhe zeigen den einzelnen Kleinpächtern das Ende ihrer jeweils kleinen Scholle auf. Jeder gärtnert zwanglos: Eine Mitgliedschaft wie beim Schrebergarten braucht hier keiner. Beim Projekt "Erntezeit" am Hamburger Stadtrand in Fischbek holen sich Großstädter ihre Bohnen, Möhren, Kartoffeln und anderes Gemüse frisch selbst aus der Erde. "Urban Gardening", das Selbstgärtnern in der Stadt, ist zurzeit ein großes Modethema. Nach Gesundem zu buddeln, gehört heute einfach zur Lebensart.

Das Tolle daran: Selbst wer von Agrikultur keinen blassen Schimmer hat, hält den Erfolg in seinen von Erde geschwärzten Händen. "Ich finde es super, dass das Gemüse vorgesät ist und wir laufend per E-Mail erfahren, wann wir was unbedingt ernten sollten", sagt Bianca Holländer aus Hausbruch. Sie selbst, gibt sie zu und lacht, habe "überhaupt keine Ahnung" von Gemüseanbau. Der Waldboden auf ihrem Grundstück zu Hause sei dazu nicht geeignet. Die Mutter von vier Kindern war vorher Stammkundin im Bioladen - jetzt erntet sie in Fischbek selbst. "Das Buddeln tut mir gut", sagt sie. Und ihre neun Jahre alte Tochter Imke findet sogar, dass die selbst geernteten Bohnen besser schmecken.

Sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und sich nicht hinter einer hohen Hecke zu verschanzen, auch das gehört beim "Urban Gardening" dazu. "Die Leute sind unglaublich nett hier", sagt Bianca Holländer, "es gibt keinen einzigen Miesepeter darunter."

"Erntezeit" ist ein Gewerbe. Betreiber ist das Ehepaar Jule und Henry Vickery aus Schenefeld im Kreis Pinneberg. Sie haben bei Bauern in Appen bei Pinneberg und in Hamburg-Fischbek Ackerflächen gepachtet. Sie pflanzen 25 Gemüsesorten und Kräuter vor und verpachten die Bete für eine Saison weiter. Die Kosten: 160 Euro pro Saison und Parzelle. Weil Verzögerungen bei der Genehmigung in Fischbek die Saison um zwei Monate verkürzt hatten, kostet das Beet in diesem Jahr 100 Euro. Viele Citygärten in Deutschland bekommen die Flächen kostenlos von den Stadtverwaltungen, weil es um Integration und kulturellen Austausch geht.

Die 26 Jahre alte Ernährungswissenschaftlerin Melanie Roloff kommt sogar extra aus Barmbek zum Ackern nach Fischbek. Ihr Vater Heinz Maas ist Harburger und bewirtschaftet ein Beet direkt neben seiner Tochter. "Die körperliche Arbeit macht fast süchtig", sagt Melanie Roloff, "und man bekommt noch etwas dafür." Der Wert des Saisonertrages, das zeigen Erfahrungen, soll doppelt so groß sein wie die gezahlte Pacht.

Zwei bis drei Kilo Erbsen, zwei riesige Zucchini und einen Eimer voll Bohnen hat Michael Haase aus Hausbruch in 20 Minuten geerntet. Auch der Systemanalyst schätzt das Buddeln als Wert an sich: "Es ist schön, mal etwas selbst zu produzieren", sagt er, "im Beruf ist ja alles so virtuell."

Die Selbsternte-Saison in Fischbek endet am 31. Oktober - so will es die Behörde. Grünkohl, Kürbis und ein paar Kartoffeln werden dann noch die Ausbeute sein. Zum Saisonende treffen sich die Pächter zum gemeinsamen Abernten, suchen die letzten Schätze in der Erde.

Wer 2012 ein Beet pachten möchte, kann sich per E-Mail auf eine Interessentenliste setzen lassen.

erntezeit@gaertnernmachtgluecklich.de