Verzögerung im Genehmigungsverfahren hat dem “Erntezeit“-Veranstalter schon jetzt einen Einnahmeausfall von 8200 Euro gebracht.

Fischbek. In St. Pauli gibt es das schon, in einem Parkhaus mitten auf der Amüsiermeile Große Freiheit. Jetzt auch der Hamburger Süden sein erstes "Urban Gardening", das gemeinschaftliche Gärtnern in der Stadt. Nach einem zwei Monate dauernden Genehmigungsverfahren hat der Bezirk Harburg das Projekt "Erntezeit" im Stadtteil Fischbek genehmigt.

Der Bezirk Harburg hat sich offenbar schwer damit getan, was in anderen Großstädten längst Trend ist: der Anbau von Radieschen, Salat und Kräutern in einem Gemeinschaftsgarten, mitten in der Stadt und zwischen Häusern.

Nach Protesten von einigen Anwohnern, die Verwaltung soll letztlich 18 Bescheide an Nachbarn verschickt haben, hat der Bezirk zwei Monate gebraucht, um sich letztlich doch zu einer Genehmigung der "Anpflanzung verschiedener Gemüsesorten mit kleinteiliger Beeteinteilung für die Nutzung durch Endverbraucher" durchzuringen. Die Verzögerung inmitten der Gemüsesaison hat den "Erntezeit"-Betreibern Jule und Henry Vickery nach eigenen Angaben 8200 Euro Einnahmeausfälle gekostet.

Hamburgs größter privater Gemeinschaftsgemüsegarten mit 60 Beeten auf insgesamt 8380 Quadratmetern stand kurz vor dem Aus. Weil die Bezirksverwaltung die Vergabe der Gemüsebeete zum 1. Mai stoppte, sind nach und nach mehr als die Hälfte der Pächter wieder abgesprungen. Ausgerechnet die Zeit vor den Sommerferien ging den Stadtgärtnern verloren. Deshalb machte das Gemüsebeet für viele keinen Sinn. Vor allem für Kindergärten und Schulen nicht.

Obwohl bereits wild wachsendes Kraut den ersten Gemüsepflänzchen das Licht zum Leben zu nehmen drohte, zog sich das Verfahren weiter in die Länge. Ohne Votum der örtlichen Politiker wollte die Verwaltung nicht entscheiden - das bedeutete eine weitere Verzögerung. In der Zwischenzeit mutierte der Gemüsegarten zu einem "Dschungel". Jule Vickery hat die zwei Monate Genehmigungsverfahren als ein Auf und Ab empfunden. Mal Wohlwollen der Verwaltung, dann wieder unerwartete Verzögerungen. "Es war nicht transparent", so ihr Eindruck.

Während der doppelt so großer "Erntezeit"-Gemeinschaftsgemüsegarten im Kreis Pinneberg bis auf das letzte Beet verpachtet ist, dürfte sich das erste Jahr "Urban Gardening" in Fischbek zum Verlustgeschäft entwickeln. "Das ist bitter für uns als Unternehmer", sagt Jule Vickery. Hinzu kommen noch 1220 Euro Verwaltungsgebühren. So viel kassiert das Bezirksamt Harburg für die Genehmigung von Nutzungsänderungen und die Befreiung von planungsrechtlichen Festsetzungen, damit das Ehepaar Vickery das Land beackern darf, das es von dem Biohof Facklam gepachtet hat.

+++ Kommentar: Gute Idee beinahe tot verzögert +++

Als die Verwaltung den Vickerys einen Antrag auf Nutzungsänderung nahe legte, um das Gemüseanbauprojekt rechtssicher zu machen, sei von 1220 Euro Gebühren keine Rede gewesen. Mit dem Genehmigungsschreiben erhielt Jule Vickery die Rechnung - eine unangenehme Überraschung.

Kein Wunder also, dass der Eindruck, den die Kreis Pinneberger von Harburg gewonnen haben, nicht der Beste ist: "Es scheint kein attraktives Umfeld zu sein, unternehmerisch etwas zu machen", sagt Jule Vickery. Würden sie rein als Unternehmer denken, sagt die Mutter dreier Kinder, hätten sie ihr Vorhaben in Fischbek längst aufgeben sollen. Bekannte und Freunde hätten ihr dazu geraten. Aber ein Gemeinschaftsgarten ist mehr als nur ein Geschäft. Selbstgärtnern ist Lebensstil, eine moralische Haltung. Stadtgärtner wollen ein Gespür dafür bekommen, dass Gemüse nicht aus der Tiefkühltruhe kommt. Sie wollen selbst in der Erde wühlen, ihrem Essen beim Wachsen zusehen und sich gesund ernähren.

Trotz aller Widrigkeiten: 26 Pächter sind "Erntezeit" in Fischbek treu geblieben. Manche wollten nicht einmal ihr Geld zurück, als die Vickerys anboten, die bereits gezahlte Pacht zurückzuerstatten. Sie glauben an die Idee des Gemeinschaftsgartens.

34 bepflanzte Gemüsebeete für Selbsternter, jeweils 75 Quadratmeter groß, bietet "Erntezeit" in Fischbek jetzt noch an. Zurzeit wachsen dort Kopfsalat, Asiasalat, Spinat und Radieschen. Bald blühen die Erbsen. Wegen der um zwei Monate verkürzten Saison kostet das Beet bis Saisonschluss am 31. Oktober 100 Euro. Ursprünglich sollte die Jahrespacht 160 Euro betragen. Wer ein Beet pachten will, meldet sich bei Jule Vickery, Telefon 0 40/840 52 467.

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