Besucher informieren sich im gläsernen Maststall für 39.000 Hähnchen auf dem Hof Eickhoff in Sprötze über Massentierhaltung

Sprötze. "Bauernglück" heißt eine Hähnchenmarke bei einem großen deutschen Discounter. Das Etikett zeigt ein prächtiges Fachwerkhaus. Davor ist eine grüne Wiese. Bauernidylle wie auf einem Ferienhof. Moderne Hähnchenmast sieht anders aus. Wie, das zeigt der "gläserne" Maststall auf dem Hof Eickhoff in Sprötze.

Die Hähnchenmast in dem Dorf bei Buchholz ist nicht nur die Zukunft des jungen Landwirts Malte Eickhoff. Das Besondere an dem Stall ist sein etwa 15 Quadratmeter großer Besucherraum. Nach Anmeldung bei der Landwirtsfamilie oder dem Niedersächsischen Landesverband der Geflügelwirtschaft können sich Verbraucher durch ein Schaufenster ein Bild von den Lebensbedingungen der 39.000 Hähnchen im Stall machen und mit den Betreibern sprechen. Gläsern wurde der Stall nach dem noch immer unaufgeklärten Brandanschlag auf die damals beinahe fertig gestellte Mastanlage der Eickhoffs am 30. Juli 2010. Die Hähnchenindustrie will Frieden mit den Verbrauchern und ihnen zeigen, woher ihre Chicken Nuggets eigentlich stammen.

Das Angebot kommt an: Seit März nehmen sich Eickhoffs zweimal pro Woche die Zeit für Besucher. Ursprünglich war alle sieben Tage eine Führung geplant. Ein Jahr nach dem Brandanschlag ist eine ganz besondere Besuchergruppe zu Gast. Die 20 Männer und Frauen vom Runden Tisch Natur-, Umwelt- und Tierschutz Buchholz stehen der Massentierhaltung kritisch gegenüber. Darunter sind auch junge Leute, die gegen den Bau der Mastanlage protestiert hatten. Sie zählen sich zu den "Tierbefreiern", eine Szene, die Tierhaltung und Fleischkonsum ablehnt.

Hartnäckig hat Eckart Wendt, Kämpfer für artgerechte Nutztierhaltung, sich um den Besuchstermin beworben. Endlich ist es soweit. Wegen der besonderen Gäste ist Wilhelm Hoffrogge extra aus Oldenburg gekommen. Der Präsident des Niedersächsischen Landesverbandes der Geflügelwirtschaft und Wendt kennen sich von vielen kontroversen Diskussionen. "Wir werden Sie nicht in Gänze bekehren können", sagt Hoffrogge bei der Begrüßung der Gruppe und versichert, dass in der Geflügelwirtschaft nur genfreies Soja verfüttert werde. Bevor es in den Stall geht, trägt sich jeder Besucher mit Namen und Adresse in eine Liste ein. Die Hygienevorschriften verlangen das. Die Tiere bleiben unter sich. Die Menschen stehen nebenan im Besucherraum, schauen durch ein etwa zweieinhalb Meter langes und zwei Meter hohes Fenster. Ein riesiger weißer Flaum ist zu sehen, ein knapp 1900 Quadratmeter großer Federteppich, so groß ist die Stallfläche für 36 000 Masthähnchen. Ihr Leben scheint ereignislos: Sie gehen ein paar Schritte, meist futtern sie unermüdlich. Eine Heizung erwärmt die Luft auf 26 Grad.

15 Tage sind die Masthähnchen an diesem Tag alt. Sehr viel älter werden sie nicht: Nach 40 Tagen haben sie ihr Schlachtgewicht erreicht: 2,5 Kilo. Am ersten Tag wiegen sie gerade 40 Gramm. In Schubladen, jeweils 28 bis 35 Tiere sind darin, wird ein Transporter die Masthähnchen zum Schlachthof bringen. Den Vorwurf, dass die Transportbedingungen grausam sein könnten, lässt Wilhelm Hoffrogge nicht stehen: "Das Fleisch ist wertlos", erklärt er, "wenn die Tiere beim Lebendtransport Schaden nehmen würden."

Ein Prozent der 36 000 Masthähnchen eines "Durchgangs", also zehn Tiere pro Tag, komme im Stall ums Leben, beantwortet Malte Eickhoff die Frage eines Besuchers. Damit liegt sein Stall deutlich besser als in der übrigen Geflügelwirtschaft. Eine Sterbequote von zwei bis drei Prozent sei laut Wilhelm Hoffrogge normal. Zu Tode kommen würden sogenannte "Kümmerer", sagt der Landwirt, Tiere, die nicht wachsen.

Erstaunt nehmen die Besucher zur Kenntnis, dass ein Tierarzt den Masthähnchen in Sprötze auch homöopathische Medikamente verabreicht. Der Arzt ist ein Veterinär aus Hollenstedt und nicht wie von den Kritikern vermutet ein "Betriebsarzt" der Firma Rothkötter. Rothkötter ist neben Wesjohann und Stolle eines von drei Unternehmen, die in Deutschland die Produktion von Masthähnchen dominieren. Eickhoffs liefern an den Hühnerbaron Franz-Josef Rothkötter. Die kritischen Gäste vermuten eine langfristige Abhängigkeit, aber Angela Eickhoff dementiert: "Wir wollten einen kurzfristigen Vertrag. Es kann ja mal sein, dass wir mit unserem Abnehmer nicht zufrieden sind."

Mehr Tränken und mehr Fenster als gesetzlich vorgeschrieben bietet der Stall in Sprötze den Tieren. Das heiße gar nichts, kontern die kritischen Gäste. Sie halten das Niveau der Mindestanforderungen aus der Haltungsverordnung für sehr niedrig.

Ob Eickhoffs denn nicht auf Bio-Geflügelmast umsteigen könnten, wollen sie wissen. Wilhelm Hoffrogge winkt ab, damit sei kein Geld zu verdienen: Die Bio-Mast stagniere in Deutschland bei 0,3 Prozent. "Wiesenhof" habe sich deshalb von seiner Biosparte getrennt.

Angela Eickhoff wirbt für ein verändertes Ernährungsverhalten in den Familien. Verbraucher sollten nicht nur Filet essen, sondern auch andere Tierteile. Aber damit gäben sich die Fleischabteilungen in den Supermärkten gar nicht ab. Auch das sei ein Grund, warum die Tierhaltung in den bäuerlichen Betrieben heute so ist, wie sie ist. "Wir Landwirte können aber nicht die ganze Gesellschaft aufklären", sagt sie. Das müssten die Familien machen.

Eckart Wendt hält die Haltung von Masthähnchen nicht für artgerecht. Er vermutet, dass der Knochenaufbau nicht mit der Muskelmasse mithält. Er möchte gerne zu einem zweiten Besuch wiederkommen. Dann, wenn die Masthähnchen nicht so jung, sondern kurz vor der Schlachtreife sind. Eine zweite Einladung hat er noch nicht. Malte Eickhoff indes schenkt einer Besucherin fünf Masthähnchen aus seinem Stall. Sie hat einen Gnadenhof, will die Entwicklung der Tiere beobachten.

Nach zweieinhalb Stunden in dem 15 Quadratmeter großen Besucherraum applaudieren die Kritiker höflich für die Gastfreundschaft und verschenken Biowein. Bekehrt sind sie nicht: "Wenn ich das sehe", sagt eine Frau, "dann will ich noch immer keine Hähnchen aus dem Supermarkt kaufen." Niedersachsens Geflügelpräsident ist dennoch zufrieden: "Ich bedanke mich für die gute Atmosphäre", sagt er erleichtert, "ich hatte erst leichtes Grummeln im Bauch, ob das alles gut geht."