Ungeklärte Kriminalfälle im Landkreis Harburg. “Aktenzeichen XY... ungelöst“ berichtet über Meckelfelder Mord

Meckelfeld/Sprötze. In der US-Fernsehserie "Cold Case" löst eine Spezialermittlungseinheit Jahre zurückliegende, nicht geklärte Morde. Manchmal sind sie mehr als ein halbes Jahrhundert her. Sogenannte "kalte Fälle", also ungelöste Kriminalfälle, gibt es auch im Landkreis Harburg. Eines der brutalsten Verbrechen in der Geschichte des Landkreises ist der Kopfschuss-Mord am 5. März 2010 in Meckelfeld. Eine wilde Schießerei auf offener Straße - und trotzdem fehlt bis heute jede Spur zu den Tätern. Das ZDF-Magazin "Aktenzeichen XY... ungelöst" greift am Mittwoch, 12. Januar, den mysteriösen Mord von Meckelfeld auf. Die Sendung beginnt um 20.15 Uhr.

Die kleine Wohnstraße Diershof in Meckelfeld am 5. März 2010: Schüsse krachen, als die Brüder Abedin, 31, und Jetmir, 21, gegen 23.25 Uhr nach Hause kommen. Sie haben zuvor in einem italienischen Restaurant in Eppendorf gegessen. Abedin K. bricht blutend vor dem Mehrfamilienhaus zusammen, in dem er mit seiner Frau, zwei Töchtern und einem Sohn lebt. Er ist sofort tot. Sein Bruder wird auch getroffen, er überlebt schwer verletzt. Zeugen sehen, dass kurz danach zwei Männer durch den Ort laufen und in einem offenbar bereitgestellten Auto davonfahren. Nach den Schüssen suchen 20 Streifenwagen nach den Mördern, ein Polizeihubschrauber mit Wärmebildkamera ist in der Luft - ohne Erfolg.

Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, das Abedin K., er stammt aus dem Kosovo, keineswegs nur Familienvater und Chef eines Abrissunternehmens in Hamburg war. Im Mai 2009 war der Meckelfelder am Zeughausmarkt in der Hamburger Neustadt in einem Schusswechsel mit zwei Männern, 25 und 27, verwickelt. Niemand wurde bei der Schießerei verletzt. Abedin K. war allerdings vorher der Kiefer gebrochen worden - er schwieg aber eisern zu der Tat.

Ein Familienvater, der sich mit eigener, nicht gemeldeter Waffe eine Schießerei mit zwei Männern liefert, die der Zuhälterszene zugerechnet werden? "Abedin K. gehörte dem Rotlichtmilieu an", sagt Angelika Klee, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lüneburg. Welche Rolle er genau darin gespielt habe, sei offen. Der Ermittlungsstand im Mord von Meckelfeld: "Wir haben keine heiße Spur", sagt Angelika Klee. Verdächtige habe es gegeben, keinem konnte aber eine Beteiligung an der Tat nachgewiesen werden. Hinweise, dass der Mord seine Ursache in einem Familienstreit haben könnte, gäbe es nicht. "Aktenzeichen XY... ungelöst" wird voraussichtlich auf neue Zeugen setzen, die etwas zu den weglaufenden Männern sagen können. Die Staatsanwaltschaft hat eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt. Die Aufklärungsquote bei Mord in Niedersachsen liegt nach Angaben des Landeskriminalamtes aus 2009 bei mehr als 96 Prozent.

Unaufgeklärt ist bis heute auch ein Verbrechen in der Buchholzer Ortschaft Sprötze, das in ganz Norddeutschland für Schlagzeilen sorgte: der Brandanschlag auf den fast fertig gebauten Hähnchenmaststall der Landwirtsfamilie Eickhoff am 30. Juli 2010. Die Brandruine wird zum Symbol für die Eskalation des Kampfes von Tierschützern gegen die Massentierhaltung. Ranghohe Bauernfunktionäre und Politiker sprechen von einem terroristischen Anschlag gegen die Landwirtschaft. Die inzwischen zurückgetretene niedersächsische Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU) und der Vizepräsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Wilhelm Hoffrogge, kondolieren in der Trümmerwüste von Sprötze.

Offenbar ist die Bauernfamilie Eickhoff in das Visier von radikalen Tierschützern geraten. Eher zufällig, weil ihr Hähnchenmaststall gerade dann vor der Vollendung steht, als der Hühnerbaron Franz-Josef Rothkötter in Wietze in Niedersachsen seinen Schlachthof, den größten in Europa, baut. Hunderte neue Ställe wie der in Sprötze sollen als Zulieferer entstehen.

In der Nacht zum 30. Juli 2010 brechen Unbekannte das Tor zum Stall auf und zerren ein großes Gerüst zunächst ins Freie und dann auf die andere Seite des Gebäudes. An der Rückwand brechen sie durch den Giebel in den Dachstuhl ein. Sie benutzen Holzpaletten und Leitern als Aufstiegshilfen, legen an mehreren Stellen Feuer. Das Dach der mehr als 1800 Quadratmeter großen Halle bricht wie von der Faust getroffen ein. Der Schaden: eine halbe Million Euro.

"Wir vermuten die Täter im Kreise der militanten Tierschützer", sagt Kai Thomas Breas, Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Stade. Die Ermittlungen laufen noch, aber: Trotz der hohen Belohnung von 25 000 Euro habe man aber keine Hinweise auf die Täter. Die Spur nach dem Brandanschlag ist kalt.

Nie gefunden wurde auch der mysteriöse Kirchenhasser von Over. Insgesamt dreimal hat ein Brandstifter die kleine Kapelle in dem Elbdorf seit April 2003 angezündet, zuletzt im November 2009. Dabei brennt die Kirche bis auf die Grundmauern nieder. Der Dachstuhl, der Glockenturm und die Glocke sind zerstört. Der Schaden: mehr als 100 000 Euro.

"Wir hatten Hinweise auf mögliche Brandstifter", sagt Staatsanwältin Angelika Klee, "in keinem Fall konnte der Verdacht erhärtet werden." Die Polizei ermittelte auch in den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr. Die heiße Spur blieb aus: "Wie so häufig bei Brandstiftung", sagt Angelika Klee.

Im Haus der prominentesten Einwohner Fleestedts löst am 1. September 2010 die Alarmanlage aus: Die Popstars Bill und Tom Kaulitz von Tokio Hotel sind nicht zu Hause, als Einbrecher gegen 23.30 Uhr die Terrassentür aufhebeln. Nur Minuten später ist die Polizei am Tatort, die Täter sind geflüchtet. Ob die Unbekannten überhaupt wussten, bei wem sie einbrechen, ist bis heute offen: Sie wurden nie gefasst. Die Polizei machte keine Angaben zu der Beute. Heute sagt Staatsanwältin Angelika Klee: "Eine Armbanduhr wurde als gestohlen gemeldet."

Erledigt sind ungelöste Fälle nie. Manche könne bei Fortschreiten der Technik aufgeklärt werden. Hinweise von Dritten können aus einem "kalten Fall" wieder einen heißen machen.