Orhan Y. soll seinen Mitbewohner erschlagen und zerstückelt haben. Staatsanwaltschaft beantragt zwölf Jahre Haft wegen Totschlags

Stade. Erst hat Orhan Y., 54, sein Opfer Achmed Kaya, 50, am 20. Mai 2010 im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung geschlagen, dann getreten und nachdem Kaya an seinen schweren Verletzungen gestorben war, zerstückelt, in Müllsäcke verpackt und in Buchholz sowie am Harburger Bahnhof abgelegt - das steht nach vielen Verhandlungstagen am Stader Landgericht, in deren Verlauf sich Y. wegen Totschlags verantworten muss, für Staatsanwältin Schäfer fest. Wie berichtet, wurden die Leichenteile Ende Mai in Harburg und Buchholz gefunden. Orhan Y. hatte versucht, sich umzubringen, fügte sich mit einem Messer tiefe Stichverletzungen zu. Da er sich bei einer Vernehmung vor Polizeibeamten in Widersprüche verstrickte, wurde er festgenommen.

Für Staatsanwältin Schäfer ist Y. schuldig. "Deshalb beantrage ich für den Angeklagten eine Haftstrafe in Höhe von zwölf Jahren", sagt sie und blickt den Angeklagten an. Das psychiatrische Gutachten habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der 54-Jährige unzurechnungsfähig ist. Ein Geständnis habe er trotz erdrückender Beweislage nicht abgelegt. Außerdem sei die "unwürdige Behandlung der Leiche", so die Staatsanwältin, "verwerflich" und zeige ein hohes Maß an krimineller Energie". Strafverschärfend wirken sich auch Einträge im Vorstrafenregister des 54-Jährigen aus. 2001 hatte er seine Ex-Frau Antonia mit ihrem Kopftuch gewürgt und mehrfach auf den Hinterkopf geschlagen. Dafür wurde er zu einer Geldstrafe in Höhe von 450 Euro verurteilt. Schon damals hatte sich Y. nicht weiter zur Tat geäußert. Ein Jahr später kassierte er staatliche Arbeitslosenunterstützung, obwohl er einen Job hatte. Y. kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Auch in diesem Fall schwieg er. Wie jetzt in Stade. Während die Staatsanwältin plädiert, schaut er hilflos zu seinem Verteidiger Philipp Napp.

Wie es der Buchholzer fertig gebracht haben soll, seinen Mitbewohner zu töten und dann zu zerhacken "lässt sich im nachhinein nicht mehr feststellen", sagt Schäfer. Der 54-Jährige hatte am Anfang des Verfahrens durch seinen Verteidiger eine Erklärung abgeben lassen. Darin behauptete er, zwei ihm unbekannte Personen, ein Mann und eine Frau, hätten seinen Freund umgebracht. Als er am 21. Mai 2010 abends von der Arbeit nach Hause kam, sei Kaya schon tot gewesen. Man habe ihn dann dazu gezwungen, die Müllsäcke mit den Leichenteilen wegzuschaffen.

Doch Staatsanwältin Schäfer hatte die Akte mit den Zeugenaussagen genau ausgewertet. "Der Angeklagte hatte am 21. Mai mit der EC-Karte des Opfers 1200 Euro von der Bank abgehoben, ist dann zu Marktkauf gegangen, um sich dort Müllsäcke und Bindfäden zu kaufen. Da war Kaya schon tot." Außerdem habe Orhan Y. bei seiner ersten Vernehmung ausgesagt, Kaya sei im Schlafzimmer zu Tode gekommen, hatte den Beamten berichtet, wo die Leichenteile zu finden sind. Diese Aussage habe ein molekularbiologisches Gutachten bestätigt. Blutspritzer des Opfers fanden sich an der Tapete des Zimmers. "Das ist Täterwissen", so die Staatsanwältin. Es sei außerdem absurd, dass der Angeklagte dazu gezwungen worden sei, die Leichenteile wegzubringen.

Weshalb der Angeklagte diese schreckliche Tat begangen haben soll, darüber kann die Staatsanwältin nur spekulieren. "Zeugen berichteten, Y. habe sich mehrfach mit seinem Mitbewohner gestritten, habe ihm Geld gestohlen. Kaya habe ihm deshalb nahe gelegt, sich doch aus der gemeinsamen Wohnung 'zu verpissen'", sagt Schäfer. - Doch Anhaltspunkte dafür, dass der Zoff am 20. oder am 21. Mai derart eskalierte, dass Y. seinen Mitbewohner erschlug, konnte die Staatsanwältin nicht finden. Hier fehlt ein entscheidendes Glied in der Indizienkette: das Motiv.

Die Verhandlung wird fortgesetzt.