Nachbarin sagt im Prozess um zerstückelte Leiche vom Harburger Bahnhof aus

Stade. Es waren zwei blutige, auf Kniehöhe abgetrennte Waden und Füße, in blauen, sorgsam verschnürten Mülltüten, die in einem Trolley verpackt und Anfang Juni vergangenen Jahres in der Nähe des Harburger Bahnhofs entdeckt wurden. So sachlich schildert Kriminaloberkommissarin Heike Ude vor der Großen Strafkammer des Stader Landgerichts bei ihrer Zeugenaussage grauenvolle Einzelheiten eines Funds von Leichenteilen.

Der Angeklagte Orhan Y. schaut sich mit unbewegtem Gesicht die Horrorfotos der Spurensicherung an, die ihm Richter Behrend Appelkamp zeigt. Orhan Y. soll seinen Mitbewohner Achmed Kaya im Mai 2010 in deren gemeinsamer Wohnung in Buchholz erschlagen, zerstückelt und die Leichenteile am Harburger und in der Nähe des Buchholzer Bahnhofs abgelegt haben. Da der 54 Jahre alte Mann die Tat leugnet, muss Appelkamp jedes Indiz, jedes kleinste Detail sorgsam prüfen. Das gilt auch für den Harburger Tatort. "Wir haben Trolley und Säcke an einer Böschung gefunden. Der Grünstreifen wird offenbar als illegale Abfallgrube benutzt. Vom Personalausweis über Schuhe und Kondome haben wir alles Mögliche gefunden", sagt Ude. Alles muss ausgewertet werden.

Der Buchholzer Polizeibeamte Norbert Flade, der die Vermisstenanzeige von Zeki K., dem Sohn des Opfers, aufgenommen hatte, konnte bislang ein wenig Licht ins Dunkel bringen. "Ich habe Orhan Y. zunächst nur als Zeuge vernommen, er verstrickte sich aber in Widersprüche", sagt Flade. Der Beamte bewies, dass Y., nachdem er angegeben hatte, dass sein Mitbewohner verschwunden ist, etwa 1200 Euro von dessen Konto abgehoben hatte. Flade: "Ich habe ihn auf der Überwachungskamera der Bank erkannt." Schon damals sei er sich sicher gewesen, dass "etwas Schlimmes passiert sein muss".

Das Gefühl hatte auch Y.s Nachbarin Irmgard S., 76, als sich Mitte Mai 2010 plötzlich Müll vor dem Haus türmte, in dem sie und der mutmaßliche Täter wohnen. "Ich sah, wie Y. dort einen schweren Müllsack ablegte, dessen Inhalt sich merkwürdig unter dem Plastik ausbeulte. Das kam mir komisch vor", sagt sie zum Richter. Heimlich reingeguckt habe sie dann doch nicht. "Nein", sagt sie und schaut Orhan Y. entsetzt an. Der Prozess wird fortgesetzt.