Sechs Stunden Wartezeit verärgert Bürger, die sich ummelden oder Pässe beantragen wollen. Ehemalige City-BKK-Mitarbeiter helfen aus.

Altstadt. Den Besuch im Einwohnermeldeamt an der Steinstraße hatte der Unternehmer gut geplant. Die Unterlagen für die Ummeldung zusammengesucht, berufliche Termine verschoben. Doch als Meik L., 31, am Freitag extra von Elmshorn in die Innenstadt kam, um Hamburger zu werden und fast eineinhalb Stunden vor Schließung des Kundenzentrums versuchte, eine Wartemarke zu ziehen, erlebte er eine böse Überraschung.

"Tut mir leid", wurde er von der Mitarbeiterin empfangen. "Wir vergeben keine Marken mehr." Die voraussichtliche Wartezeit sei zu lang, seine Ummeldung könne nicht mehr bearbeitet werden. Mit einem freundlichen "Kommen Sie Montag wieder oder versuchen Sie es in einem anderen Zentrum" wurde er verabschiedet. Meik L.: "Ich habe mir den Tag freigehalten, schließlich ist der Aufwand groß, und als Selbstständiger habe ich nicht viel Zeit." Der Tipp, ein anderes Kundenzentrum aufzusuchen, habe ihm nicht geholfen. "Die hatten alle zu."

Auch der Hamburger Anwalt Carsten Grau wurde vergangene Woche wieder nach Hause geschickt. "Ich war an der Steinstraße, um etwa zwei Stunden vor Ablauf der im Internet ausgewiesenen Öffnungszeit einen neuen Reisepass zu beantragen", sagt er. Auch ihm wurde keine Wartemarke mehr ausgegeben. Grau ist verärgert. "Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, während der ausgewiesenen Öffnungszeiten zumindest die beabsichtigten Anträge stellen zu dürfen."

Wie Anwalt Grau und Unternehmer Meik L. geht es derzeit vielen Hamburgern, die einen Personalausweis beantragen oder sich ummelden müssen. Die Kundenzentren in den Bezirken sind überlastet. Folge: Viele Bürger müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen oder werden weggeschickt. Für die Ämter ist das ein "Chaos mit Ansage", wie Bezirkamtsleiter Markus Schreiber (SPD) sagt. In Wilhelmsburg habe es Spitzenwartezeiten von bis zu sechs Stunden gegeben. "Damit die Bürger nicht umsonst warten, haben wir entschieden, sie lieber wieder wegzuschicken." Oft sei das in den vergangenen Wochen passiert. Die langen Wartezeiten werden durch eine Änderung des Computersystems und die neuen Personalausweise verursacht. "Die Bearbeitung der Ausweise dauert zwei- bis dreimal so lange wie bisher", sagt Schreiber. Wegen des Andrangs habe er bereits sechs zusätzliche Mitarbeiter für das große Kundenzentrum Steinstraße abgestellt. "Zudem wollen wir nebenan einen Container aufstellen, um die Wartezonen zu vergrößern."

Auch der Bezirk Altona meldet lange Wartezeiten. Im Kundenzentrum am Ottenser Marktplatz sind es im Juli durchschnittlich 81 Minuten. "Wir arbeiten seit Monaten mit erheblichen Mehrbelastung, haben teilweise bis 20 Uhr Kunden bedient", sagt Sprecherin Kerstin Godeschwege. Trotzdem seien an einigen Tagen keine Wartemarken mehr ausgegeben und Besucher abgewiesen worden. "Gekümmert haben wir uns dann nur noch um die Notfälle, den anderen Kunden haben wir Alternativtermine angeboten." Ähnlich macht es Harburg, in dessen Kundenzentren laut Bezirkssprecherin Petra Schulz "bis zu zwei Stunden Wartezeit" vorkommen. An vier Tagen hätten Besucher nach Hause geschickt werden müssen. Zum Vergleich: Vor einem Jahr betrug die Wartezeit 20 bis 30 Minuten. "Es kommt alles zusammen", sagt Petra Schulz. "Urlaubszeit, längere Bearbeitungszeiten beim neuen Ausweis und viele Kranke." Inzwischen seien drei neue Mitarbeiter im Einsatz. "Die müssen aber noch eingearbeitet werden."

Im Lokstedter Kundenzentrum steht seit Wochen ein Schild, das um Verständnis für längere Wartezeiten wirbt. Dort war der Andrang so groß, dass an zwei Tagen die Nummernvergabe gestoppt wurde. Im zuständigen Bezirk Eimsbüttel ist die Lage besonders kritisch, weil das Stellinger Kundenzentrum wegen hoher Krankenstände bis Anfang September geschlossen ist. "Die anderen Mitarbeiter sind jetzt in Lokstedt und Eimsbüttel eingesetzt", sagt Bezirkssprecherin Alina Röpcke. Trotzdem liegt die durchschnittliche Wartezeit bei 50 Minuten. In den fünf Kundenzentren des Bezirks Wandsbek betrug die Wartezeit am Freitag durchschnittlich 40 Minuten. "Es waren in den vergangen Tagen manchmal bis zu 90 Minuten", sagt Anne Bauer, Sprecherin in Wandsbek. Wegen der angespannten Personallage gelten jetzt eingeschränkte Sprechzeiten. Statt fünf Tage haben die Zentren, außer dem in Wandsbek, vier Tage in der Woche geöffnet. "Bei uns waren 8,5 Stellen offen, die werden nach und nach besetzt."

Etwas ruhiger scheint es in Bergedorf und im Bezirk Nord zu sein. Hier lagen die durchschnittlichen Wartezeiten im Juli bei 33 Minuten im Kundenzentrum an der Lenhartzstraße und 44 an der Poppenhusenstraße. "Wir haben angesichts der absehbaren Mehrbelastung durch die Ausstellung der neuen Ausweise fünf zusätzliche Mitarbeiter eingesetzt", sagt Wolfgang Kopitzsch (SPD), Leiter des Bezirksamts Nord. So habe man keine Kunden zurückweisen müssen. In Bergedorf lag die durchschnittliche Wartezeit im Juni bei 44 Minuten, im Juli bei 39 Minuten. "Auch wenn wir keine Kunden weggeschickt haben, müssen die Bürger in den Ferien mehr Geduld mitbringen", sagt der Bezirksamtssprecher Andreas Aholt.

Mittes Amtsleiter Schreiber ist über die Zustände verärgert: "Trotz Aufforderung wurde uns vom Senat zur Einführung des neuen Personalausweises kein zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt." Insgesamt 40 Stellen seien nötig gewesen, um in der Stadt einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. "Doch lange ist nichts passiert."

Die Finanzbehörde hat inzwischen reagiert. Seit dem 1. Juli wurden 25 Mitarbeiter der City-BKK, die ein Rückkehrrecht zur Stadt haben, auf die Bezirke aufgeteilt. "Das war eine Notlösung", sagt der Sprecher der Finanzbehörde, Daniel Stricker. "Langfristige Lösungen werden im Dialog mit den Bezirken entwickelt werden müssen." Schreiber bezeichnet die zusätzlichen Mitarbeiter als gute Hilfe. "Die wirkt aber nicht sofort."