In Hamburg hat die Zahl der Geburten zugenommen, obwohl die Zahl der potenziellen Mütter sinkt. Trend geht zur größeren Familie.

Hamburg. "Irgendetwas hat uns einfach noch gefehlt", sagt Lena Kampmeier, 28, aus Norderstedt. Am Montagabend ist im Albertinen-Krankenhaus ihre Tochter Lara Mia zur Welt gekommen. "Mein Mann Björn und ich sind wie gebannt und lassen die Kleine nicht aus den Augen", sagt die junge Mutter.

Damit sind die Kampmeiers eines von mehr als 10.680 Elternpaaren, die in diesem Jahr in Hamburg ein Baby bekommen haben. Laut Statistikamt Nord hat die Zahl der neugeborenen Babys in den ersten acht Monaten dieses Jahres um 159 Kinder zugenommen - ein Plus von gut 1,5 Prozent. Im selben Zeitraum des Vorjahres sind 10.521 Babys in Hamburg zur Welt gekommen. Die genauen Zahlen werten die Standesämter in den Bezirken zurzeit aus. Sie liegen voraussichtlich in der ersten Januarwoche vor.

Erstaunlich ist, dass die Geburtenrate offensichtlich ansteigt, obwohl die Zahl der potenziellen Mütter seit Langem kontinuierlich sinkt. Aber diese wenigen Mütter bekommen dafür immer mehr Kinder - der Trend geht hin zum Zweit- oder Drittkind.

"In Deutschland ist die Zwei-Kind-Orientierung kulturell verankert", sagt die Soziologin Birgit Pfau-Effinger von der Universität Hamburg. Das beobachtet auch die Hebamme Tanja Linder aus Winterhude in ihrer täglichen Arbeit: "Hat sich eine Frau für ein Kind entschieden, bekommt sie häufig auch ein zweites, manchmal auch ein drittes Kind." Dr. Uwe Herwig, Leiter der Geburtenstation im Albertinen-Krankenhaus, teilt diese Meinung. "Wir haben im Vergleich zu früher viel häufiger Mütter hier, die bereits ihr drittes oder viertes Kind bekommen", sagt er. "Das Verhältnis von Eltern mit Erstgeburten zu denen, die bereits mindestens ihr zweites Kind erwarten, ist bei uns etwa 50 zu 50", sagt Albertinen-Hebamme Ulrike Ziemba. Sie habe den Eindruck, dass die Geburten zunehmen.

Ein Grund für den Geburtenanstieg sieht die Soziologin Birgit Pfau-Effinger in den verbesserten Rahmenbedingungen für Familien: "Die Familienpolitik mit dem Ausbau der öffentlichen Kindertagesbetreuung nimmt wohl doch Einfluss auf die Entscheidung für ein Kind oder mehrere Kinder." Die Soziologin greift damit das auf, was sich auch die Politik gern auf die Fahnen schreibt. Hamburg sei in der Betreuung der unter Dreijährigen Vorreiter in Westdeutschland. "Die Versorgung von Kleinkindern und damit die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in Deutschland immer besser. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld und ist nicht länger Schlusslicht", so Pfau-Effinger. Familien hätten das Gefühl, dass etwas für sie getan werde.

Trotz der leichten Zunahme der Geburtenrate liegt die Hansestadt noch hinter dem bundesweiten Trend. In ganz Deutschland hat sich die Geburtenrate um 3,6 Prozent erhöht. Birgit Pfau-Effinger: "Die Geburtenrate ist in Großstädten niedriger, weil viele Familien nach der Geburt ihrer Kinder in die Speckgürtel ziehen. Dann tauchen sie in der Statistik des Nachbarlandes auf." Ein weiterer Grund sei die Bevölkerungszusammensetzung in der Metropole. "Städte haben eine Sogwirkung auf junge Leute, die noch nicht an Familie denken", sagt die Soziologin.

Lena Kampmeier und ihr Mann haben ihren Lebensplan konkret auf den Traum von der kleinen Familie ausgerichtet. Lara Mia ist ein Wunschkind. "Wir sind bewusst den klassischen Weg gegangen und haben uns erst ein finanzielles Polster erarbeitet, dann geheiratet und danach erst ein Kind bekommen", sagt die junge Mutter, die vor ihrer Schwangerschaft ganztags als Ergotherapeutin arbeitete. "Ich habe einen tollen Arbeitgeber, der mich sehr unterstützt", sagt sie. So hat sie das Angebot, wann immer sie will, wieder in ihren Beruf zurückzukommen. Auch ihre Wohngegend Norderstedt hat die Familie bewusst kinderfreundlich gewählt. "Dort gibt es viele Spielplätze, und es ist ruhiger als im Zentrum."